Thorsten Polleit
Im Sommer 2012, dem dritten Jahr der so genannten Euro-Krise, liegt eine böse Vorahnung über unserem Land. Die Deutschen sorgen sich um den Wert ihres zur Fremdwährung gewordenen Geldes, verachten die politische Klasse und beobachten mit einer Mischung aus Entsetzen und Widerwillen, wie immer aberwitzigere Milliardenbeträge mobilisiert werden, um ein Konstrukt zu retten, das sie nicht wollten und nie brauchten. Es ist, als führe man mit hohem Tempo in eine Nebelwand. Wiederholt sich die Geschichte?Lesen Sie hier Prof. Thorsten Polleits Vorwort zu Bruno Bandulets brisanten Neuerscheinung Vom Goldstandard zum Euro.
Gutes Geld ist unverzichtbar, damit Menschen dauerhaft produktiv und zu aller Vorteil friedvoll miteinander wirtschaften können. Schlechtes Geld hingegen zerrüttet Wirtschaft und Moral, sät
Zwietracht, Bitterkeit, Unfrieden zwischen den Menschen. Diese Erkenntnisse hat die Währungsgeschichte immer wieder zutage gefördert.
Gerade für die Deutschen war die Güte des Geldes immer wieder eine Schicksalsfrage. Die Zeit des Goldgeldes – von 1871 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 – war für sie im wahrsten Sinne des Wortes eine goldene Zeit. Mit dem Kriegsende und den gesellschaftspolitischen Umwälzungen änderte sich das. Denn mit dem sich ausbreitenden sozialdemokratischen Sozialismus standen nun unüberwindbare politisch-ideologische Hürden einer Rückkehr zum Goldgeld entgegen. Schlechtes Geld, Papiergeld, wurde zum Normalfall.
Die ungedeckte Mark wurde im November 1923 völlig zerstört, und auch die Reichsmark ging mit dem Ende des Dritten Reiches unter. Verständlich daher die Hochschätzung der »D-Mark-Zeit« bei vielen Deutschen: Sie steht für ungewöhnliche 50 Jahre relativer Währungsstabilität. Zur Verklärung besteht jedoch kein Grund. Denn auch die D-Mark war letztlich beliebig vermehrbares Papiergeld. Und auch sie beförderte den immer weiter ausufernden Umverteilungs- und Wohlfahrtsstaat und begünstigte die Verschuldungsneigung.
Im Vergleich mit anderen Papierwährungen hatte die D-Mark jedoch eine besondere Stärke: Hinter ihr stand der Stabilitätswille der deutschen Bevölkerung, ein tief verwurzelter Wunsch nach verlässlichem Geld. Letzterer war es auch, der den Missbrauchsspielraum der deutschen Regierungen mit der D-Mark-Notenpresse einschränkte und den Deutschen im internationalen Vergleich recht gutes Geld bescherte.
Die D-Mark stand zudem als »Ankerwährung« im Wettbewerb mit anderen Papierwährungen. Dieser Währungswettbewerb hielt die Inflationspolitiken der anderen – vor allem europäischen – Währungen in relativ engen Grenzen. Gerade deshalb war die Einführung der Einheitswährung Euro ein so fataler Fehler: Sie hat den disziplinierenden Währungswettbewerb in Europa mit einem Handstreich ausgeschaltet, und gleichzeitig wurde die deutsche Stabilitätsorientierung als Richtungsmaßstab für das Gemeinschaftsgeld aus dem Weg geräumt.
Zu einem Zeitpunkt, an dem die Zukunft des Euro höchst ungewiss ist und an dem vor allem die Zweifel über seine künftige Werthaltigkeit anwachsen, ist der Blick auf die währungshistorische Rolle des Goldes mehr als zeitgemäß. Denn wer in die Währungsgeschichte schaut, der erkennt sofort: Gold ist das ultimative Zahlungsmittel.
Über Jahrhunderte und viele Kulturkreise hinweg war Gold immer wieder das beste Geld. Das liegt zum einen daran, dass Gold (und in gewissem Maße auch Silber) die physischen Eigenschaften am relativ besten erfüllt, die ein Gut haben muss, damit es als Geld funktionieren kann: Es muss knapp, homogen, haltbar, teilbar, prägbar und auch transportabel sein. Gold und Silber erfüllen das wie kein anderes Material.
Goldgeld kann nicht beliebig vermehrt werden – was die Herrschenden und die von ihnen begünstigten Gruppen natürlich wollen, damit sie die Allgemeinheit (still und heimlich) zu ihren Gunsten ausplündern können. Dazu brauchen sie beliebig vermehrbares Papiergeld. Edelmetallgeld schützt den Einzelnen vor staatlicher Willkür, und zwar in einer Weise, wie es auch noch so sorgsam formulierte Verfassungsregeln nicht leisten können.
Es sind diese Erkenntnisse, die die währungs- und gesellschaftspolitische Bedeutung des Edelmetallgeschäfts der Degussa – der Deutschen Gold- und Silber-Scheideanstalt, deren Grundstein im Jahr 1843 gelegt wurde – verdeutlichen. Diese Bedeutung wird nur zu häufig übersehen oder gar ausgeblendet: Schmelz-, Scheide- und Prägetätigkeit sind unverzichtbare Arbeitsschritte, um gutes Geld bereitzustellen, also Geld, das allen Gesellschaftsmitgliedern gleichermaßen und nicht nur einigen wenigen dient.
Man vergleiche nur einmal die ökonomische und ethische Qualität des Edelmetallgeschäfts mit den heutigen Geldpolitiken. Staatliche Zentralbanken schöpfen beliebig Geld sprichwörtlich aus dem Nichts. Dieses Geld – in Form von bedruckten Papierzetteln und Einträgen auf Computerfestplatten (»Bits and Bytes«) – ist durch keinerlei Ersparnisse gedeckt. Es ist nicht nur inflationär, verursacht Finanz- und Wirtschaftskrisen und führt letztlich in eine Überschuldungssituation, aus der sich die Betroffenen mit einer Entwertungspolitik des Geldes zu befreien suchen. Das staatliche Papiergeld ist zudem auch ethisch defekt: Es dient der Bereicherung einiger weniger auf Kosten vieler.
Edelmetallgeld – und insbesondere das Goldgeld – ist ökonomisch und ethisch die überlegene Alternative. Es wird durch den freien Markt geschaffen – und zwar freiwillig –, es gewährt niemandem irgendwelche Privilegien, es verhindert den politischen Machtmissbrauch und schützt so die Freiheit des Einzelnen. Es ist also Geld, das allen und nicht nur wenigen dient.
Ludwig von Mises (1881–1973) schrieb in seiner 1940 erschienenen Nationalökonomie: »Die Goldwährung macht die Gestaltung der Kaufkraft von dem Einfluss der Politik und den schwankenden wirtschaftspolitischen Anschauungen wechselnder Majoritäten unabhängig. Das ist ihr Vorzug.« Gutes Geld, also Edelmetallgeld, braucht notwendigerweise verlässliche Schmelz-, Scheide- und Prägeanstalten. Letztere sind die guten Alternativen zu den heutigen staatlichen Zentralbanken und ihrem schlechten Geld.
Bruno Bandulet zeichnet in seinem neuen Werk die deutsche Währungsgeschichte – von ihren Anfängen in der Zeit vor der Deutschen Reichsgründung 1871 über die Aufgabe der D-Mark Ende 1998 bis hin zur Euro-Krise – klar verständlich nach. Doch nicht nur das. Mit großem Weitblick ordnet er alle Entwicklungsschritte in die (inter)nationalen (währungs)politischen Geschehnisse seiner Zeit ein.
Bandulet erzählt eine hochspannende und sehr lehrreiche Geldgeschichte. Schon nach den ersten Zeilen zieht sie den Leser in ihren Bann, weil er spürt, dass der Autor sein umfangreiches Wissen, sein Denken und zudem auch seine Zukunftsahnungen offen und großzügig mit ihm teilt. Dr. Bandulet gilt nicht umsonst als einer der renommiertesten Experten für Gold- und Währungsfragen im deutschsprachigen Raum.
Was besonders fasziniert, sind Dr. Bandulets tiefgehendes, detailliertes Wissen, sein ausgeprägtes, hochsensibles Verständnis für das Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und Geschichte und vor allem auch die Klarsicht seiner Analysen, mit denen er zeigt, wie all diese Elemente nicht nur national, sondern auch international ineinandergreifen und die Entwicklung des Geldes und des Geldwesens beeinflussen. Es ist das Resultat von jahrzehntelanger Beobachtung, Analyse und Professionalität.
Und nicht zuletzt besticht das Buch durch die Integrität des Autors, die sich vor allem darin zeigt, wie er die Erkenntnisse seiner Analysen verständlich mitteilt und ihre Konsequenzen offen und ungeschminkt benennt. Zum Beispiel lautet seine Antwort auf die heute vielfach gestellte Frage, wieso Deutschland bei der Einheitswährung überhaupt mitmachen konnte: »Letzten Endes war es eine Mischung aus Feigheit, Inkompetenz, Selbsttäuschung und europäischem Illusionismus, welche die deutschen Politiker dazu brachte, in die Währungsfalle von Maastricht zu laufen.«
Bruno Bandulet richtet in diesem Buch natürlich auch den Blick in die Zukunft. Er zeigt Szenarien auf, welchen Verlauf die Euro-Krise nehmen und zu welchem Ergebnis sie führen kann. Darauf aufbauend leitet er Ratschläge ab, wie der Sparer sich gemäß seinen persönlichen Bedürfnissen auf die kommenden Umbrüche einstellen kann. Dass dem Gold (und anderen Edelmetallen) bei der Vorsorge der Vorzug zu geben ist, ist eine folgerichtige Empfehlung, die der Autor aus den währungshistorischen und ‑theoretischen Erkenntnissen seiner Analyse ableitet.
Wer Dr. Bandulets Schrift gelesen hat, der weiß nicht nur, dass staatliche Papierwährungen kommen und (immer wieder unter)gehen, sondern dass das Gold bleibt. Der Leser erfährt auch, warum das bisher so war, und warum das auch künftig so sein wird. Denn solange die Regierungen und nicht die freien Märkte bestimmen, was Geld ist, wird das Geld schlecht sein: Es wird inflationär und ungerecht sein und mitunter – wie beim Euro – eine kurze Lebensdauer haben.
Das vorliegende Buch ist eine Pflichtlektüre für alle, die danach streben, der deutschen Währungsgeschichte, die immer wieder so viel Unheil gebracht hat, auf den Grund zu gehen – und insbesondere auch das Euro-Debakel, seine Gründe und seine Folgen zu verstehen. Bruno Bandulets Buch wird ein Klassiker der deutschen Geldgeschichte werden, in dem Wahrheit, Klarheit und Klugheit zu Wort kommen und ideologische Verklärung sowie politischer Opportunismus mehr als entzaubert werden.
Bruno Bandulet: Vom Goldstandard zum Euro
Gebunden, 176 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 19.95 EUR
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