Gerhard Wisnewski
Boston, 15. April 2013. Der Mann sieht wirklich übel aus. Während Helfer versuchen, ihm eine Beinschiene anzulegen, läuft ihm Blut über das ganze Gesicht. Auf den Pullover ist es merkwürdigerweise aber nicht getropft. Auch die Beine scheint es übel erwischt zu haben, aber die Windjacken der beiden Helfer sind makellos weiß. Fake? Oder was ist mit dem anderen Mann im Rollstuhl, dem beide Beine abgerissen wurden? Gleich drei Personen hasten mit ihm die Straße entlang. Während er vor sich hinstarrt, ragt der Unterschenkelknochen aus dem blutigen Stumpf. Die Haut hängt nur noch in Fetzen herab.
Nichts für schwache Nerven
Könnte man so etwas überhaupt simulieren? Die Antwort lautet: und ob. Die eine Antwort lautet natürlich »Hollywood«. Die Filmfabrik kann selbstverständlich jede erdenkliche Verletzung simulieren. Das Problem ist nur, dass niemand Hollywood-Techniken mit einer derartigen Straßenszene verbindet. Während die Hollywood-Maskeraden der Leinwand oder dem Fernsehen vorbehalten scheinen, rechnet niemand damit, sie plötzlich mitten auf der Straße anzutreffen und blendet sie deshalb als Möglichkeit von vorneherein aus. Schließlich ist es ja wohl auch kaum denkbar, dass die Polizei von Boston oder das FBI einen Vertrag mit einem Filmstudio hat.
Brauchen sie aber auch gar nicht. Denn was niemand weiß: In den USA gibt es regelrechte Spezialfirmen, die Schlachtfeld- und Katastrophenszenarien zu Übungszwecken inszenieren, und zwar so detailgetreu, dass unbedarfte Zuschauer gut und gerne in Ohnmacht fallen könnten – bis hin zu abgerissenen Gliedmaßen und spritzendem Blut. Nehmen wir zum Beispiel die Firma Strategic Operations aus San Diego. Dieses Unternehmen ist ein Hollywood-Abkömmling für das lebensechte Training von Militärs und Sicherheitsbehörden. Auf dem Grundstück eines TV- und Filmstudios bietet die Firma waschechte Übungen für Soldaten, Polizisten und Sicherheitsbehörden an. Das Motto lautet »Hyper Realistic«, ein Begriff, den man sich bei Strategic Operations sogar hat schützen lassen. Die Seiten des Unternehmens sind zwar nicht geheim, aber auch nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt, ermöglichen sie doch einen vielsagenden Blick hinter die Kulissen der Sicherheitsbehörden. Und auch für die YouTube-Videos wird nicht offensiv geworben. Sie haben bis jetzt in der Regel nur ein paar Hundert Klicks – vermutlich von Militärs und ganz bestimmten Sicherheitsexperten.
Lebensechte Wunden
Wer sich auf der Website von Strategic Operations bewegt, dem gehen wirklich die Augen über – und manchmal auch der Magen. Deshalb Vorsicht: Das ist nichts für schwache Nerven! Diese Warnung gilt zum Beispiel ausdrücklich für die Seite »Combat Wound Medical Effects«. Sie verschafft einem jedoch einen Eindruck, wozu die Maskenbildner in der Lage sind. Da sieht man zum Beispiel einen Darsteller mit einem aufgerissenen Hals, einen Rücken mit einer großflächigen Brandwunde und jemanden, der offenbar ein Geschoss ins Gesicht bekommen hat. Natürlich wird in einigen Szenarien auch »einem Darsteller das Bein abgerissen«, heißt es da. Das Besondere daran: Die Wunden werden nicht einfach nur aufgeschminkt und bleiben dann statisch, sondern sie »leben«. »Hyper-Realistic-Techniken fügen typischen statischen medizinischen Simulationen ein dynamisches Element hinzu«, steht da zu lesen.
Während sich typische Trainingsverletzungen nach dem Auftragen oder Aufbringen normalerweise nicht mehr verändern, »schafft Strategic Operations komplette Wunden mit aktiven Blutungen, die erst aufhören, wenn eine fachgerechte Kompression angelegt wird. Ein weiteres Beispiel sind große Mengen Kunstblut, die durch verborgene Schläuche zu den Wunden gebracht werden. Zu Brustverletzungen können die Darsteller Luft transportieren, so dass mit jedem Atemzug Luftblasen aus der Wunde austreten«.
Künstliches Blut aus der Blutpumpe
Ein weiterer Schlager sind so genannte »Cut Suits« – lebensechte Anzüge, die über dem Körper getragen werden und an denen regelrechte Eingriffe vorgenommen werden können. Wenn also auf einem Foto oder Video der Notarzt an einem Verletzten herumschnippelt, einen Luftröhrenschnitt vornimmt oder gar eine Ader abklemmt, bedeutet das noch gar nichts. Es könnte auch ein Cut Suit von Strategic Operations sein. Ebenfalls im Programm: so genannte »Blast Trousers« (Explosionshosen). Über die Beine gezogen, simulieren sie eine typische Explosionswunde. Sagte ich vorhin, ein Helfer hält eine Arterie in der Hand? Mag sein oder auch nicht. Es könnte nämlich auch ein BPS gewesen sein – ein »Blood Pumping System«. Das ist ein blutgefüllter Rucksack, der künstliches Blut zu jeder gewünschten Stelle des Körpers transportieren kann. »Er wird von dem Patienten getragen und imitiert einen Tagesrucksack, wie er von vielen Soldaten, Matrosen, Marinesoldaten und anderem Personal rund um die Welt getragen wird.« Aber natürlich passt er auch in jeden handelsüblichen Rucksack oder unter eine weite Jacke. »Das BPS ist in sich geschlossen, enthält drei Liter Blut und ermöglicht vier simultane Blutungen, die durch eine drahtlose Fernbedienung aus bis zu 50 Fuß gesteuert werden können. Jede Leitung kann separat kontrolliert werden und ermöglicht die Simulation von venösen und arteriellen Blutungen.«
Und selbstredend verfügt das Unternehmen auch über jede Menge Darsteller, die das Equipment fachgerecht und lebensecht bedienen können. Unterstützt von der angeschlossenen Casting-Agentur kann Strategic Operations »Hunderte von Darstellern liefern«, die auf dem Schlachtfeld zum Beispiel als Zivilisten dienen. Hauptübungsfeld ist natürlich der »Krieg gegen den Terror« in der islamischen Welt, weshalb Strategic Operations auch die gesamte Bandbreite der dort anzutreffenden Bevölkerungsgruppen zu bieten hat, angefangen bei Regierungsoffiziellen über Stammesälteste und religiöse Führer bis hin zu Übersetzern und Polizeikräften. Ebenso verfügbar sind Darsteller mit militärischer Erfahrung, die den Part amerikanischer Soldaten oder von »Rebellen« übernehmen können, so dass man auch eine ausgewachsene Rebellentruppe aufmachen kann. Auch entsprechende Kulissen sind selbstverständlich vorhanden, so dass der westliche Fernsehzuschauer wirklich nicht mehr wissen kann, ob er gerade Bilder aus einem Kriegsgebiet oder nur vom Training amerikanischer Soldaten sieht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ein oder zwei kleine Bömbchen in irgendeiner Innenstadt wären da wirklich nur die leichtere Übung. Denn natürlich hat das Unternehmen auch jede Menge Platzpatronen, Raketen und Theater-Bomben im Programm, die genau den gleichen weißlichen bis gelblichen Rauch verbreiten wie die Bomben von Boston.
Im
Internet tobt eine heiße Diskussion um die Boston-Attentate: Wurden
diese inszeniert oder nicht? Eine große Rolle spielen dabei auch die
Verletzten – könnte man solche Verletzungen wirklich simulieren? Kein
Problem: Die Illusions-Industrie von Hollywood hat die Antwort längst
gegeben. Hollywood-Filialen versorgen Militär und Sicherheitsbehörden
mit Darstellern und mit lebensechten Verletzungen und Wunden – nur zum
»Training« natürlich … (Vorsicht: schockierende Bilder!)
Boston, 15. April 2013. Der Mann sieht wirklich übel aus. Während Helfer versuchen, ihm eine Beinschiene anzulegen, läuft ihm Blut über das ganze Gesicht. Auf den Pullover ist es merkwürdigerweise aber nicht getropft. Auch die Beine scheint es übel erwischt zu haben, aber die Windjacken der beiden Helfer sind makellos weiß. Fake? Oder was ist mit dem anderen Mann im Rollstuhl, dem beide Beine abgerissen wurden? Gleich drei Personen hasten mit ihm die Straße entlang. Während er vor sich hinstarrt, ragt der Unterschenkelknochen aus dem blutigen Stumpf. Die Haut hängt nur noch in Fetzen herab.
Aber warum sieht das Gesicht so verdächtig blass geschminkt aus?
Warum erinnert der aus dem Stumpf ragende Knochen irgendwie an einen
Holzstab, der unten sauber abgeschnitten wurde? Wie kann es sein, dass
sich hinter dem Rollstuhl nicht die geringste Blutspur befindet? Müsste
nicht trotz Abbindung noch Blut aus zwei Beinstümpfen tropfen? Und warum
hat das Opfer auch an der Kleidung praktisch kein Blut? Und wieso weist
auch die Kleidung der drei Helfer keine Blutflecken auf – nicht einmal
der Ärmelbund jenes Mannes, der die lose heraushängende Arterie des
Verletzten in der Hand hält? Echt oder inszeniert?
Nichts für schwache Nerven
Könnte man so etwas überhaupt simulieren? Die Antwort lautet: und ob. Die eine Antwort lautet natürlich »Hollywood«. Die Filmfabrik kann selbstverständlich jede erdenkliche Verletzung simulieren. Das Problem ist nur, dass niemand Hollywood-Techniken mit einer derartigen Straßenszene verbindet. Während die Hollywood-Maskeraden der Leinwand oder dem Fernsehen vorbehalten scheinen, rechnet niemand damit, sie plötzlich mitten auf der Straße anzutreffen und blendet sie deshalb als Möglichkeit von vorneherein aus. Schließlich ist es ja wohl auch kaum denkbar, dass die Polizei von Boston oder das FBI einen Vertrag mit einem Filmstudio hat.
Brauchen sie aber auch gar nicht. Denn was niemand weiß: In den USA gibt es regelrechte Spezialfirmen, die Schlachtfeld- und Katastrophenszenarien zu Übungszwecken inszenieren, und zwar so detailgetreu, dass unbedarfte Zuschauer gut und gerne in Ohnmacht fallen könnten – bis hin zu abgerissenen Gliedmaßen und spritzendem Blut. Nehmen wir zum Beispiel die Firma Strategic Operations aus San Diego. Dieses Unternehmen ist ein Hollywood-Abkömmling für das lebensechte Training von Militärs und Sicherheitsbehörden. Auf dem Grundstück eines TV- und Filmstudios bietet die Firma waschechte Übungen für Soldaten, Polizisten und Sicherheitsbehörden an. Das Motto lautet »Hyper Realistic«, ein Begriff, den man sich bei Strategic Operations sogar hat schützen lassen. Die Seiten des Unternehmens sind zwar nicht geheim, aber auch nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt, ermöglichen sie doch einen vielsagenden Blick hinter die Kulissen der Sicherheitsbehörden. Und auch für die YouTube-Videos wird nicht offensiv geworben. Sie haben bis jetzt in der Regel nur ein paar Hundert Klicks – vermutlich von Militärs und ganz bestimmten Sicherheitsexperten.
Strategic Operations – Klicken auf eigene Verantwortung!
Wer sich auf der Website von Strategic Operations bewegt, dem gehen wirklich die Augen über – und manchmal auch der Magen. Deshalb Vorsicht: Das ist nichts für schwache Nerven! Diese Warnung gilt zum Beispiel ausdrücklich für die Seite »Combat Wound Medical Effects«. Sie verschafft einem jedoch einen Eindruck, wozu die Maskenbildner in der Lage sind. Da sieht man zum Beispiel einen Darsteller mit einem aufgerissenen Hals, einen Rücken mit einer großflächigen Brandwunde und jemanden, der offenbar ein Geschoss ins Gesicht bekommen hat. Natürlich wird in einigen Szenarien auch »einem Darsteller das Bein abgerissen«, heißt es da. Das Besondere daran: Die Wunden werden nicht einfach nur aufgeschminkt und bleiben dann statisch, sondern sie »leben«. »Hyper-Realistic-Techniken fügen typischen statischen medizinischen Simulationen ein dynamisches Element hinzu«, steht da zu lesen.
Während sich typische Trainingsverletzungen nach dem Auftragen oder Aufbringen normalerweise nicht mehr verändern, »schafft Strategic Operations komplette Wunden mit aktiven Blutungen, die erst aufhören, wenn eine fachgerechte Kompression angelegt wird. Ein weiteres Beispiel sind große Mengen Kunstblut, die durch verborgene Schläuche zu den Wunden gebracht werden. Zu Brustverletzungen können die Darsteller Luft transportieren, so dass mit jedem Atemzug Luftblasen aus der Wunde austreten«.
Künstliches Blut aus der Blutpumpe
Ein weiterer Schlager sind so genannte »Cut Suits« – lebensechte Anzüge, die über dem Körper getragen werden und an denen regelrechte Eingriffe vorgenommen werden können. Wenn also auf einem Foto oder Video der Notarzt an einem Verletzten herumschnippelt, einen Luftröhrenschnitt vornimmt oder gar eine Ader abklemmt, bedeutet das noch gar nichts. Es könnte auch ein Cut Suit von Strategic Operations sein. Ebenfalls im Programm: so genannte »Blast Trousers« (Explosionshosen). Über die Beine gezogen, simulieren sie eine typische Explosionswunde. Sagte ich vorhin, ein Helfer hält eine Arterie in der Hand? Mag sein oder auch nicht. Es könnte nämlich auch ein BPS gewesen sein – ein »Blood Pumping System«. Das ist ein blutgefüllter Rucksack, der künstliches Blut zu jeder gewünschten Stelle des Körpers transportieren kann. »Er wird von dem Patienten getragen und imitiert einen Tagesrucksack, wie er von vielen Soldaten, Matrosen, Marinesoldaten und anderem Personal rund um die Welt getragen wird.« Aber natürlich passt er auch in jeden handelsüblichen Rucksack oder unter eine weite Jacke. »Das BPS ist in sich geschlossen, enthält drei Liter Blut und ermöglicht vier simultane Blutungen, die durch eine drahtlose Fernbedienung aus bis zu 50 Fuß gesteuert werden können. Jede Leitung kann separat kontrolliert werden und ermöglicht die Simulation von venösen und arteriellen Blutungen.«
Und selbstredend verfügt das Unternehmen auch über jede Menge Darsteller, die das Equipment fachgerecht und lebensecht bedienen können. Unterstützt von der angeschlossenen Casting-Agentur kann Strategic Operations »Hunderte von Darstellern liefern«, die auf dem Schlachtfeld zum Beispiel als Zivilisten dienen. Hauptübungsfeld ist natürlich der »Krieg gegen den Terror« in der islamischen Welt, weshalb Strategic Operations auch die gesamte Bandbreite der dort anzutreffenden Bevölkerungsgruppen zu bieten hat, angefangen bei Regierungsoffiziellen über Stammesälteste und religiöse Führer bis hin zu Übersetzern und Polizeikräften. Ebenso verfügbar sind Darsteller mit militärischer Erfahrung, die den Part amerikanischer Soldaten oder von »Rebellen« übernehmen können, so dass man auch eine ausgewachsene Rebellentruppe aufmachen kann. Auch entsprechende Kulissen sind selbstverständlich vorhanden, so dass der westliche Fernsehzuschauer wirklich nicht mehr wissen kann, ob er gerade Bilder aus einem Kriegsgebiet oder nur vom Training amerikanischer Soldaten sieht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ein oder zwei kleine Bömbchen in irgendeiner Innenstadt wären da wirklich nur die leichtere Übung. Denn natürlich hat das Unternehmen auch jede Menge Platzpatronen, Raketen und Theater-Bomben im Programm, die genau den gleichen weißlichen bis gelblichen Rauch verbreiten wie die Bomben von Boston.
Kamen die Boston-Bomben aus dem Hollywood-Arsenal?
Ob diese oder eine
ähnliche Firma bei den Boston-Attentaten zum Einsatz kam, wissen wir
zwar nicht. Aber auf jeden Fall kann man mit dieser Ausrüstung jedes
gewünschte Massaker inszenieren, ob auf dem Schlachtfeld oder auf den
Straßen einer Großstadt. Und zu den Kunden gehören ausdrücklich nicht
nur die amerikanischen Streitkräfte, sondern auch das Justizministerium,
die US-Marshals und natürlich das FBI.
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2 Kommentare:
Was von ein Scham, dass solche looser sich zulassen, in so eine Show sich teilzuhaben !
Und wollen bewundert werden !?
beim Militär nennt man sowas "Befehl"
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