Dienstag, 16. Oktober 2012
Ist der Multikulturalismus in Deutschland gescheitert?
Quelle: AntiInfokrieger
Der Berliner Bezirk Neukölln hat einen Migrantenanteil von 41 Prozent. Bürgermeister Heinz Buschkowsky erneuert in seinem Buch "Neukölln ist überall" seinen Standpunkt, die deutsche Integrationspolitik habe zu wenig erreicht.
Für die einen ist er ein populistischer "Alarmist", für die anderen ein mutiger Vordenker: Heinz Buschkowsky (SPD), Bezirksbürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, eckt mit seinen Positionen zur Integrationspolitik gerne an. Der 64-Jährige lehnt das Betreuungsgeld für sozial schwache Familien ab, weil es die Isolation von Migrantenfamilien fördere, er führte in seinem Bezirk 2007 den Wachschutz an Schulen ein und postulierte 2004 publikumswirksam, Multikulti sei gescheitert. Jetzt erläutert er seine Sicht auf die Welt - einen Stadtteil mit 41 Prozent Migrationsanteil - ausführlich in Buchform. "Neukölln ist überall" (Ullstein) heißt es und zieht auf 400 Seiten eine niederschmetternde Bilanz der Integration.
Gleich vorneweg erklärt Buschkowsky im Vorwort seines Buches, das die "Bild"-Zeitung in Auszügen zitiert, dass er, um "der organisierten Empörung vorzubeugen", mit den beschriebenen Sachverhalten "niemals alle Einwanderer, alle Muslime, alle Hartz-IV-Empfänger und alle Jugendlichen" meine. Aber er beschäftige sich eben nicht mit den Beispielen gelungener Integration in Deutschland, sondern "mit der anderen Seite der Medaille". Und die ist, so lesen sich Buschkowskys Ausführungen, ein einziges Sammelsurium von Frechheiten.
Gleich zu Anfang des Buches beklagt der Bürgermeister das "ständige demonstrative Nichtbeachten von Umgangsformen wie Höflichkeit oder Rücksichtnahme" und führt dafür drastische Beispiele aus Neukölln an. Dort würden Jugendliche von kleineren Kindern eine Benutzungsgebühr für Klettergerüste verlangen, Busfahrern auf deren Frage nach dem Fahrschein eine Cola über den Kopf geschüttet und wartende Fußgänger an der Ampel aus Autos angepöbelt. Den Satz "Hast du Problem? Könn' wir gleich lösen!" bekäme jeder Deutsche zu hören, der auf Regeln hinweise - etwa, dass man sein Fahrzeug nicht in der dritten Reihe parken könne. "Das ist es, was die Leute fragen lässt: Wo bin ich denn hier eigentlich? Ist das noch meine Stadt, meine Heimat? Deswegen kommen viele irgendwann zu dem Schluss: Ich mag diese Menschen nicht. Sie wollen mit mir nicht leben, dann will ich es mit ihnen auch nicht", schreibt Buschkowsky.
Freilich muss sich der Bürgermeister auch fragen lassen, was er der Entwicklung in Neukölln entgegengesetzt hat. So stellte der Sozialwissenschaftler Helmut Häußermann zwischen 2001 und 2006 fest, dass sich die soziale Lage der Zunwanderer in Neukölln ständig verschlechterte und sich eine integrationsunfähige wie -unwillige Unterschicht ausbildete. Buschkowksy reagierte unter anderem mit Bezirksbotschafterinnen - Sozialarbeiterinnen aus demselben Migrantenkreis wie die Familien, die sie besuchten. Ihnen öffneten sich Türen, die anderen verschlossen blieben; bis 2010 berieten sie rund 3000 Familien zu den Themen Gesundheit und Bildung.
Aus Buschkowskys Perspektive waren das offensichtlich zu wenige, um etwas auszurichten, oder der Ansatz falsch gewählt. In seinem Buch kritisiert er die Integrationspolitik als zu nachgiebig: "So lange wir eine Politik des Alles-Verstehens und des Alles-Verzeihens betreiben und den Menschen signalisieren, dass wir gar nicht daran denken, die Verhältnisse zu ändern, weil diese Verwahrlosung der Sitten zur kulturellen Identität und zur Weltoffenheit gehören, so lange werden wir für eine wirklich erfolgreiche Integrationspolitik nur verhalten Mitstreiter finden." Seiner Meinung nach stoßen gesellschaftliche Systeme aufeinander, die sich schon von der Grundanlage nicht vereinbaren lassen. "Wir erziehen unsere Kinder zur Gewaltlosigkeit. Wir ächten Gewalt in der Begegnung und bringen das unserem Nachwuchs bei. Andere bringen ihren Jungs bei, stark, tapfer und kampfesmutig zu sein. Die Ausgangssituation ist einfach ungleich."
Mit seinen Thesen rückt Buschkowsky zumindest in die Nähe eines anderen populären Integrationskritikers - Thilo Sarrazin. Dabei hatte der Berliner Bürgermeister das Sarrazin-Buch "Deutschland schafft sich ab" kritisiert, weil es die Problematik zu sehr verallgemeinere. Nun zieht Buschkowsky von einem "Berliner Bezirk mit 315 000 Einwohnerinnen und Einwohnern" schon im Buchtitel Rückschlüsse auf den Rest der Republik.
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