Samstag, 8. Oktober 2011

Mars Express: Strömungsmuster und "Inseln" im Mündungsgebiet von Ares Vallis

Das Ausflusstal Ares Vallis windet sich über 1.700 Kilometer durch das südliche Mars-Hochland und endet in einer über 100 Kilometer breiten Mündung im Tiefland der Chryse-Ebene. In der Frühzeit des Mars strömten hier große Mengen Wasser. Am 11. Mai 2011 nahm die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene hochauflösende Stereokamera (HRSC) an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express im Orbit 9393 einen Teil der Mündungsregion von Ares Vallis auf. Die Bilder zeigen einen großen, teilweise abgetragenen Krater, stromlinienförmige Inseln und terrassenartige "Uferbänke" an den Talrändern: Spuren von Erosion, die das Wasser, das in Ares Vallis geflossen ist, in der Landschaft hinterlassen hat.
Die Bilder zeigen einen Ausschnitt der Mündungsregion Ares Vallis bei 16 Grad nördlicher Breite und 327 Grad östlicher Länge. Sie wurden von Mars Express aus einer Höhe von 300 Kilometern aufgenommen. Die Bildauflösung beträgt etwa 15 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Benannt wurde das Tal nach Ares, dem griechischen Kriegsgott, dessen Entsprechung in der römischen Götterwelt der Mars ist.
Ares Vallis wurde im Jahr 1976 auf den Bildern der amerikanischen Viking-Sonden entdeckt. In der Frühzeit des Mars strömten große Mengen Wasser durch das Tal. Um die Spuren dieses Wasserstroms zu untersuchen, landete 1997 der kleine Marsrover Pathfinder im Mündungsgebiet von Ares Vallis. Markantestes Geländemerkmal ist der etwa 32 Kilometer große Einschlagskrater Oraibi, der sich nur etwa 100 Kilometer südlich der Landestelle des Pathfinder-Rovers befindet (siehe Kontextkarte), der dort am 4. Juli 1997 landete und zwölf Wochen lang die Umgebung erkundete.

Wassermassen fluteten Krater

Am Krater Oraibi sind die Erosionsspuren besonders gut zu sehen. Die Landschaftsformen zeigen, dass der Krater stark umspült wurde und die Energie der Wassermassen offenbar so stark war, dass der südliche Rand des Kraters von den Wassermassen durchbrochen und das Innere des Kraters geflutet und von Sedimenten verfüllt wurde (Ausschnitt 1 im Übersichtsbild; Norden ist in den Draufsichten rechts). Die Wassermassen scheinen einst mit erheblicher Energie durch das Tal geflossen zu sein und konnten mit ihrem Druck große Mengen an Material erodieren. So zeigen die "Uferbänke" eine stufige, terrassenförmige Morphologie (Bildausschnitt 2 im Übersichtsbild). Parallel verlaufende Rillen und Rinnen längs der Fließrichtung deuten ebenfalls auf starke Erosion hin. Andere Erosionsformen am Talboden sind anhand von stromlinienförmigen Inseln erkennbar (Bildausschnitt 3 im Übersichtsbild). Diese zeigen die einstige Fließrichtung an.
Aufschlussreich sind auch so genannte "Geisterkrater", deren Umrisse nur noch schwach zu erkennen sind: Sie finden sich sowohl im Tal selbst als auch auf dem Plateau (linke Bildhälfte im Übersichtsbild). Dies lässt vermuten, dass auch Teile des Plateaus, das sich etwa 1000 Meter über Ares Vallis erhebt, zumindest teilweise überflutet wurden. Auf dem Plateau sind viele einzelne Rest- oder Inselberge zu sehen (Bildausschnitt 4 im Übersichtsbild). Sie erscheinen als Überbleibsel einer früheren durchgehenden Bedeckung, die größtenteils erodiert wurde. Ebenso ist auf dem Plateau am linken Bildrand auch noch der Teil einer Auswurfdecke eines großen Einschlages zu sehen.

Ein Hangrutsch und gehäuft auftretende Einschlagskrater

Ein interessantes Detail ist ein Hangrutsch, der am oberen linken Bildrand zu erkennen ist (Bildausschnitt 5 im Übersichtsbild). Die Rutschung weist eine Breite von etwa vier Kilometer auf. Der Hangrutsch könnte durch den Einschlag des Asteroiden entstanden sein, dessen Kraterauswurfmasse im Bildausschnitt 4 zu sehen ist. Einzelne Strahlen dieser Auswurfdecke können bis zur Rutschung verfolgt werden.
Charakteristisch für dieses Gebiet ist aber auch die ungewöhnlich starke Häufung von Kluster von Einschlagskratern (Bildausschnitt 3). Diese sind entweder als "Haufen" oder gerichtet angeordnet. Für das Auftreten solcher Kratergruppen sind zwei Prozesse verantwortlich. Zum einen entstehen Kratergruppen, wenn ein Projektil (Asteroid) beim Eindringen in die Atmosphäre in viele kleine Brocken auseinander bricht und diese dann einzeln auf die Oberfläche einschlagen. Zum anderen sind solche Kratergruppen aber auch charakteristisch für sekundäre Krater, das heißt, durch den Einschlag eines Asteroiden werden viele Gesteinsbrocken des getroffenen Gebiets in die Luft geschleudert und fallen in mehreren Kilometern Entfernung wieder zu Boden, wo sie dann diese kleineren Krater bilden.
Die Farbansichten wurden aus dem senkrecht blickenden Nadirkanal und den Farbkanälen der High Resolution Stereo Camera (HRSC) erstellt. Die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die schwarzweißen Detailaufnahmen wurden dem Nadirkanal entnommen, der von allen Kanälen Bilddaten in der höchsten Auflösung aufzeichnet.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 40 Co-Investigatoren aus 33 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des PI G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom HRSC Experiment-Team im DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof durch das European Space Operation Centre (ESOC) der ESA betrieben. Die systematische Verarbeitung der Daten erfolgt am DLR. Die hier gezeigten Darstellungen wurden am Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin erstellt.

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
DLR-Institut für Planetenforschung