Donnerstag, 3. Dezember 2015

Der Provokateur: Bundespressekonferenz hadert mit Tilo Jung

von Daniel Bouhs

Das Podium mit den Gesprächsteilnehmern auf der Bundespressekonferenz.
Tilo Jungs Betätigungsfeld: Die Bundespressekonferenz.
Vielleicht liebt Tilo Jung die Provokation nicht, aber in jedem Fall lebt er sie. Mal löste ein reichlich umstrittener Werbespot mit ihm ("frauenfeindlich!") einen Shitstorm aus, dann wieder ein - inzwischen gelöschter - missglückt-ironischer Instagram-Post zum Weltfrauentag. Seit Februar 2014 aber fällt Jung, der einst bei einer Regionalzeitung volontiert hat, vor allem mit einer Rolle auf: als eigenwilliges Mitglied der Bundespressekonferenz (BPK).
Die BPK mischt Jung seitdem regelmäßig auf - mit naiven, teils regelrecht penetranten Fragen an die Vertreter der Bundesregierung und mit Videomitschnitten der Veranstaltung, die er in seinem Youtube-Kanal veröffentlicht. In "Super-Cuts" reiht er dabei schon mal ausschließlich die Ahnungslosigkeit der Regierung aneinander - das ist meist schockierend. Der Regierung wirft Jung im ZAPP-Interview vor, sie habe bisweilen "wenig Interesse an Aufklärung". Seine Mission: Transparenz.



Quelle: ZAPP - Das Medienmagazin


Einmalige Institution mit unbequemem Mitglied

Die BPK ist einmalig auf der Welt: Hier treten - regulär stets montags, mittwochs und freitags - die Regierenden oder zumindest von ihnen Entsandte auf. Solche "Regierungspressekonferenzen" sind an sich nichts Unübliches, besonders ist aber, dass die BPK als Verein der Hauptstadtjournalisten dazu lädt - und damit selbst entscheidet, wer fragen darf, wozu und wie lange. Das hat sich etabliert und bewährt, doch das BPK-Mitglied Jung sorgt im 65. Jahr der BPK zunehmend für Spannungen.
Am Rande der Tagung "Formate des Politischen", bei der die Hauptstadtpresse in der BPK über ihr Tun diskutiert, berichtet Jung ZAPP nun jedenfalls von kritischen Anmerkungen zu seinen Auftritten, die ihn zunehmend erreichten: "Das hört sich für mich ein bisschen so an, als ob [Regierungssprecher Steffen] Seibert so ein bisschen signalisiert: Sorgt irgendwie mal dafür, dass ihr den Jung einschränkt und die ganze BPK einschränkt, weil sonst kommen wir nicht mehr."

Politik verstehen und dokumentieren

Auch auf der Tagung ist Jung auch Thema - auf dem Panel "Beobachtungen zur Institution der Bundespressekonferenz". Phoenix-Journalistin Anke Plättner berichtet vom Unmut gegen Jung, der sich unter Regierungssprechern breitmache ("Kommen Sie gerne?" - "Wissen Sie, da stellt jetzt jemand immer so komische Fragen."). Sie fragt den Provokateur: "Warum stellen Sie Fragen, die manch andere vielleicht nicht stellen?" Für Jung ist das eine - für die Etablierten selbstentlarvende - Steilvorlage. Er sagt, was er dann auch ZAPP sagt: Er wolle Grundsätzliches von der Regierung hören, er wolle Politik verstehen und das für alle dokumentieren.
Der Vorsitzende der BPK, Gregor Mayntz, hält sich in der Runde mit Kritik an Jung und seinen Veröffentlichungen zurück. "Darüber kann ich wirklich nicht urteilen", sagt Mayntz, der Korrespondent der "Rheinischen Post" ist. "Was der Hauptstadtjournalist mit seinen Informationen macht, das geht mich nichts an." Das ist dann auch die offizielle Linie der BPK: Jung, der Provokateur, wird nicht verachtet. Er wird toleriert.

"Du stellst Fragen, die uns nicht interessieren"

Die Hauptstadtpresse wird mitunter auch als "Meute" beschrieben, die also kollektiv in eine Richtung läuft, auf der Agenda dieselben Fragen hat. In diesem Szenario ist Jung ein Fremdkörper. Er berichtet dann auch vom Protest gegen ihn ("Du stellst Fragen, die uns nicht interessieren") und davon, dass ihn das geradezu in seinem Plan bestärke, sein Ding durchzuziehen.
"Ich werde die BPK-Arbeit nie einstellen", droht Jung schließlich im Interview seinen Kritikern. Verblüffend seine Auskunft: Er und sein Produzent könnten längst von den Spenden seines Publikums und den Werbeeinnahmen leben, die ihre Videos auf YouTube generierten. Jungs Kampfansage an Seibert und Co.: "Regierungssprecher sollten immer weiter befürchten, dass wir kommen."

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Stefan schrieb am 02.12.2015 20:57 Uhr:
Ich möchte gerne eine Neuauflage des Gesprächs von LeFloyd mit Merkel sehen - allerdings mit Tilo Jung statt seiner. Und natürlich LIVE.

DAS wäre endlich mal ein echtes Interview und Merkel könnte nicht so rumeiern, wie sie es selbst bei den "Fernsehduellen" (hahaha!) vor einer Wahl bei Zuschauerfragen tut, ohne dass die noch mal nachhaken dürfen.

Endlich mal einer, der nicht fern von der deutschen Wirklichkeit auf dem Planeten des Hauptstadtjournalismus um die Erde kreist, sondern das fragt, was wirklich interessiert.

Schade, dass genau sowas nicht von den Korrespondenten der großen Sendern und Zeitungen getan wird. Dass ihnen da plötzlich jemand die Preise verdirbt, zeigen deren unterirdische Kommentare zu ihm...

Ach ja: Bei der "Das würde Sie nur verunsichern"-PK in Hannover hätte ich gerne einen wie Jung dabeigehabt. Das war auch seitens der Journalisten keine Glanzleistung...
Sich.-Ing. Jörg Hensel schrieb am 02.12.2015 22:05 Uhr:
Weitermachen Thilo !
Ralle schrieb am 02.12.2015 23:03 Uhr:
Na, Daniel Bouhs, auch Mitglied in der BPK? Wenn nicht, einfach mal die Kollegen von der ARD, die regelmässig (oder auch nicht) anwesend sind, bitten, ähnlich naive Fragen wie Tilo zu stellen. Anhand der überwältigenden Zustimmung, die in den Kommentaren zum Ausdruck kommt, sollte mal langsam ein Umdenken stattfinden.
Thoralf Will schrieb am 02.12.2015 23:03 Uhr:
Ich bin froh, dass es Tilo Jung gibt und er das so konsequent durchzieht.
Man kann sicher darüber diskutieren, ob er manchmal ein wenig übertreibt oder ob das noch völlig ok ist - aber unterm Strich ist er der einzige Journalist in der trüben Runde, der seinen Job macht. Der Rest ist langweiliger, unwichtiger Einheitsbrei, der völlig irrelevant ist.

Ich habe bisher noch nicht an Jung&Naiv gespendet. Ich denke, dass ich das ändern sollte.
Wenn die Mitarbeiter des NDR (ich nenne sie bewusst nicht Journalisten, denn dazu müssten sie sich wie solche verhalten) oder der anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten solche Fragen stellen würde, würde ich die GEZ-Gebühren mit einem Lächeln überweisen. So tue ich das nur notgedrungen und einigermaßen zähneknirschend.
Günter Kaltschmidt schrieb am 02.12.2015 23:04 Uhr:
Der Mann scheint wichtig in der RPK zu sein, sonst wollten ihn die Regierungssprecher nicht loswerden!
Mainstreamfragen kann jeder fragen!
Nachhaken ist da angefragt! Und bei dem was ich bis jetzt gehört und gesehen habe waren es ja meist recht einfach formulierte Fragen! ;)
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