Dienstag, 28. Februar 2012

»Griechenland-Rettung«: Die Geisterfahrer geben Vollgas

Und wieder hat die Mehrheit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag ein milliardenschweres Hilfspaket abgenickt. Schon jetzt scheint klar: Das nächste folgt spätestens in zwei Jahren. Nach der neuerlichen Herabstufung Griechenlands droht nun  auch noch, die Blase der Kreditausfallversicherungen zu platzen. Unterdessen spüren die Bürger die indirekten Folgen der »Griechenland-Rettung« schon sehr konkret – zum Beispiel an der Zapfsäule.

»Jetzt gibt es kein Zurück mehr«, sprach der Geisterfahrer – und gab Vollgas. Nach der Zustimmung des Deutschen Bundestages zum zweiten so genannten Hilfspaket für Griechenland in einem Umfang von 130 Milliarden Euro fühlt man sich an diesen makabren Vergleich erinnert. Darf man den Abgeordneten zumindest mildernde Umstände zubilligen, da sie kaum in der Lage gewesen sein dürften, die mehr als 700 Seiten umfassenden Dokumente, die dieser Entscheidung zugrunde lagen, über das Wochenende zu lesen? Wohl kaum, denn was für Kleinanleger gilt, sollte erst recht von den Verwaltern unserer Steuergelder erwartet werden: Gib niemals Geld für etwas aus, das du nicht verstehst. 
Vielleicht will es aber niemand verstehen. Denn die Fakten sprechen eigentlich eine klare Sprache: Der Bundesfinanzminister nannte Griechenland ein Fass ohne Boden und sprach von der Möglichkeit weiterer Rettungspakete – woran niemand ernsthaft zweifelt. Experten rechnen spätestens im Jahr 2014 mit dem nächsten Samaritereinsatz, der vierte dürfte 2017 folgen. Mit dem Bundesinnenminister plädierte ein Mitglied der Bundesregierung für den Austritt von Hellas aus der Euro-Zone – und wurde prompt zurechtgewiesen. Unbeeindruckt von der Entscheidung des Bundestages senkte Standard & Poor’s das Rating Griechenlands auf »teilweisen Zahlungsausfall«. Das ist unterstes Schrott-Niveau.


Eine mittelständische Bank, die einem Unternehmen mit dieser Bonitätsnote auch nur noch einen Euro Kredit geben würde, machte sich der Veruntreuung von Spareinlagen schuldig. Die Insolvenzverschleppung Griechenlands aber zieht sich bereits seit Monaten hin – und wurde nun prolongiert.  Finanziert auf Kosten der Steuerzahler und nachfolgender Generationen. Die Regierung und die meisten Oppositionsparteien versuchen derweil ihren Bürgern die Erkenntnis beizubringen, ein Schrecken ohne Ende sei besser als ein Ende mit Schrecken. Die Euro-Retter sind die Gefangenen ihrer eigenen Fehler. Sie sind die Geisterfahrer, die noch einmal beschleunigen. In Wahrheit bleibt es nicht bei den 130 Milliarden aus dem zweiten Griechenlandpaket, denn auch die Zentralbanken leisten milliardenschwere Beiträge. Sie sind Teil des Staates, also haftet in letzter Konsequenz der Steuerzahler für sie.

Einzig die Banken und andere Finanzkonzerne, bei denen Griechenland und weitere potenzielle Pleitestaaten in der Kreide stehen, dürften diese Tage so richtig genießen. Zumal die Europäische Zentralbank erneut das Füllhorn billiger Liquidität über sie ausschüttet. Von der »teuersten Atempause der Geschichte« schrieb jetzt die Zeit goldrichtig (Ausgabe Nr. 9 vom 23. Februar 2012, S. 21).

Kaum thematisiert werden die gefährlichen Nebenwirkungen dieser Geldflut. Dabei geht es nicht nur um die hohen Inflationsrisiken. Letztlich spüren schon heute die Autofahrer die Auswirkungen dieser gigantischen Cash-Infusion. Auf der Suche nach lukrativen Anlagemöglichkeiten für das (fast) zinslose Zentralbankgeld investierten manche Banken offenbar erhebliche Summen an den Terminmärkten für Erdöl. Die Benzinpreise werden durch die Zockerei der mit Geld zugeschütteten Banken in die Höhe getrieben.

Ähnliches beobachten wir seit Wochen an der Börse. Scheinbar unerschütterlich bahnt sich der Dax seinen Weg nach oben. Kleinere Rückschläge werden meist schon am folgenden Tag wieder wettgemacht. Für die Banken ist es ein gutes Geschäft: Sie leihen sich von der EZB fast zum Nulltarif Geld für drei Jahre, stecken es in Aktien und schaffen somit ihre eigene Hausse. Wenn sie genug verdient haben, steigen sie aus – und die Scheinblüte fällt in sich zusammen. Wie immer dürften es wieder die Kleinanleger sein, die dann auf herben Verlusten sitzen bleiben.

Derweil braut sich neues Ungemach zusammen. Nachdem die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit Griechenlands abermals gesenkt hat, könnten nun die zahlreich im Umlauf befindlichen Kreditversicherungsderivate (Credit Default Swaps) fällig werden. Anders ausgedrückt: Jetzt tritt der Versicherungsfall ein. Daraus dürften neue Risiken für das Finanzsystem erwachsen – dem Vernehmen nach beläuft sich das auf Griechenland entfallende Gesamtvolumen an ge- und verkauften Credit Default Swaps auf rund 70 Milliarden US-Dollar. Viele Zocker reagieren nervös, denn allen Beteiligten ist klar: Platzt irgendwann die weltweite Derivateblase, gibt es keine Rettung mehr. Das macht schon das Volumen der weltweit gehandelten Derivate deutlich. Es beläuft sich auf atemberaubende 700 Billionen (!) US-Dollar, ausgeschrieben also 700.000.000.000.000.

Quelle: Kopp Verlag
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