Montag, 7. Mai 2012

Nach den Wahlen: Euro im Endstadium

Wo immer auch gewählt wird, schicken die Europäer ihre Regierenden mit niederschmetternden Ergebnissen in die Wüste. Jetzt traf es Sarkozy und die Allianz der Euro-Retter in Athen. Und während die Mainstreammedien noch nach Paris und Athen blicken, wird ein Spanien-Crash mit unabsehbaren Folgen immer wahrscheinlicher. Der Euro ist am 6. Mai in sein Finalstadium eingetreten.

Schon im April warnte KOPP Online vor den gravierenden Folgen der für Realisten bereits damals absehbaren Wahlergebnisse in Frankreich und Griechenland. In der Woche vor diesen brisanten Abstimmungen zog Focus Money nach und präsentierte seinen Lesern eine beunruhigende Titelstory »Vorsicht Crash-Gefahr. Bricht nach dem 6. Mai der Euro zusammen?«, fragte das Finanzmagazin auf dem Cover.


An Warnungen hat es also nicht gefehlt, doch auch an den Finanzmärkten glaubte mancher lieber den Beschwichtigern und Gesundbetern, denen freilich bald nichts mehr anderes einfiel als die von den Großeltern überlieferte Lebenserfahrung, wonach nichts so heiß gegessen wie es gekocht werde. Wahrlich keine überzeugende Botschaft.

Am Tag nach den Wahlen herrschte am Finanzplatz Frankfurt jenseits des eilfertig verbreiteten Zweckoptimismus von Banken- und Regierungsvertretern blankes Entsetzen. Die Abwahl Sarkozys war spätestens seit der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen erwartet worden. Doch dass die beiden größten griechischen Parteien zusammen gerade einmal ein Drittel der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnten und radikale Kräfte an den politischen Rändern ins griechische Parlament gewählt wurden, wirkte wie ein Schock.

Und wie immer, wenn es keine überzeugenden Antworten auf drängende Fragen gibt, schießen Spekulationen ins Kraut. Von einem baldigen Militärputsch wollen manche Marktteilnehmer erfahren haben, und der Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, schlug gar vor, Griechenland zu einem europäischen Protektorat zu machen. Andere gehen schon jetzt von Neuwahlen im Juni aus – und einem für die selbsternannten Euro-Retter noch desaströseren Ergebnis.

Die Situation erscheint ausweglos. Seit Ausbruch der akuten Schuldenkrise im Jahr 2008 büßte die griechische Wirtschaftsleistung um 15 Prozent ein. Zehntausende kleine und mittelständische Firmen mussten Insolvenz anmelden, und auch viele börsennotierte Unternehmen schreiben tiefrote Zahlen. Die Banken stehen am Rande des Zusammenbruchs: Etwa ein Drittel der Konsumentenkredite ist notleidend. Insgesamt müssen die griechischen Banken um ausgegebene Darlehen in einem Umfang von rund 42 Milliarden Euro zittern. Schuldenkrise und innenpolitische Unruhen verschrecken zudem immer mehr Touristen. Der Sommer 2012 droht zu einem der schlechtesten seit vielen Jahren zu werden. Tourismusexperten befürchten eine Reihe von Insolvenzen unter griechischen Hotels.

Wut und Gewalt dürften die innenpolitische Entwicklung in den nächsten Monaten bestimmen. Jene, die bisher den Widerstand auf den Athener Straßen und Plätzen organisierten, sitzen jetzt im Parlament. Der Euro spaltet nicht nur Europa, sondern auch die Bevölkerung in den Mitgliedsländern der Währungsunion.

Nichts fürchten Politiker derzeit mehr als innenpolitische Unruhen in Griechenland, die dann sehr schnell auf Spanien, Portugal und Italien übergreifen könnten. Tatsächlich bestätigen die Wahlergebnisse in Frankreich und Griechenland einen seit mehreren Monaten zu beobachtenden Trend: Die Bürger lehnen die Euro-Rettung in ihrer derzeitigen Form ab und schicken die Regierenden in die Wüste. Ganz gleich, ob es sich um sozialistische Regierungen (wie in Spanien) oder um einen als konservativ geltenden Präsidenten (wie in Frankreich) handelt – Hauptsache weg mit der regierenden Elite, scheint das Motto der Bürger zu lauten.

Und während die Euro-Retter in Schockstarre nach Paris oder Athen blicken, rückt Spanien wieder verstärkt in den Fokus der Märkte. Die Situation der dortigen Sparkassen und Banken ist offenbar dramatischer als noch vor Kurzem geglaubt. Nach der geplatzten Immobilienblase haben die Geldinstitute des Landes offenbar mehr als 184 Milliarden Euro im Feuer, die nun in Bad Banks ausgelagert werden sollen. Ein Crash konnte bisher nur dank der üppigen Liquiditätsspritzen durch die Europäische Zentralbank (EZB) verhindert werden. Die Arbeitslosenquote steuert auf 25 Prozent zu, die Gewerkschaften machen mobil.

Es ist ein wahres Schreckensszenario, das sich derzeit für die sogenannten Euro-Retter abzeichnet: Die griechische Wirtschaft ist komplett ruiniert, der Staat bankrott, gleichzeitig drohen schwere innenpolitische Unruhen. In Spanien ist jeder vierte Erwerbsfähige ohne Job, die Banken stecken in einer tiefen Krise und überleben nur dank EZB-Hilfe. Schon werden Wetten abgeschlossen, wann Spanien unter den Europäischen Rettungsschirm flüchten und das Nachbarland Portugal mitreißen wird. In Frankreich, das seinen Triple-A-Status bereits verloren hat, wird der neue Präsident fröhlich Schulden machen – und hoffen, dass Deutschland für die absehbare Misere zahlt. Und dass in Italien die Situation halbwegs stabil bleiben wird, erscheint ebenfalls als eine sehr optimistische Annahme.

Vieles spricht dafür, dass mit dem 6. Mai die Euro-Krise in ihr Finalstadium eingetreten ist. Schon Ende des Jahres könnte die Europäische Währungsunion eine ganz andere sein als heute.

Quelle: www.kopp-verlag.de