Freitag, 16. März 2012

Untersuchung enthüllt: Facebook späht SMS der Nutzer aus

Erste Bedenken bezüglich der Wahrung der Privatsphäre im so genannten »Informationszeitalter« wurden schon Ende der 1970er Jahre geäußert. Und das mit Recht. Denn seit der Computer auf den Markt kam und zum Allgemeingut wurde, vor allem aber seit Einführung des Internets, versucht ständig irgendjemand, in Ihre Privatsphäre einzudringen.

Den jüngsten Übergriff leisten sich Facebook und einige andere Firmen, die sich darauf verlegen, persönliche SMS der Smartphone-Nutzer auszuspähen. Dies hat eine Untersuchung der London Times ergeben. Opfer waren Nutzer, die sich die App für das weltweit größte soziale Netzwerk heruntergeladen hatten.

Damit steht Facebook nicht allein da. Laut London Times, die diese Verletzung der Privatsphäre untersucht hat, verschafften sich auch der Online-Bilderaustauschdienst Flickr, die Partnersuche-Webseite Badoo und der Onlinedienst Yahoo Messenger Zugriff auf Kurznachrichten.

Privatsphäre, eine »wertvolle Ware«


Dem Bericht zufolge ermöglichten es einige Apps den Unternehmen sogar, Telefonate abzuhören. Andere, wie YouTube, »sind in der Lage, sich aus der Ferne Zugang zu Smartphone-Kameras zu verschaffen, um damit jederzeit Fotos oder Filme aufzunehmen«, hieß es in einem gesonderten Bericht.

Auch kleinere Firmen waren beteiligt. Dazu gehörten My Remote Lock (das paradoxerweise als Sicherheits-App gilt), und die App Tennis Juggling Game. Auch diese können vermutlich Telefonate abhören.

»Ihre persönlichen Informationen sind eine wertvolle Ware, Unternehmen werden also alles daransetzen, so viel wie möglich davon in die Hand zu bekommen«, sagt Emma Draper von der Gruppe Privacy International.

Vertreter von Facebook stellen die Ausspähung als eine Art Feldversuch dar. Wie sie behaupten, plant das weltweit größte soziale Netzwerk schon bald einen eigenen Kurznachrichtendienst. Deshalb müsse man beobachten, wie so ein Dienst in der realen (virtuellen?) Welt funktioniere.

Und natürlich verstecken sich die Facebook-Vertreter hinter der alten Entschuldigung: »Mit dem Herunterladen der App haben Sie uns die Genehmigung erteilt«. Nur lesen sich eben 70 Prozent derjenigen, die die App herunterladen, diese Genehmigungserklärung vorher nicht durch, wie eine Umfrage von YouGov ergab, die im Auftrag der Times durchgeführt wurde.

»Die Sunday Times präsentiert eine kreative Verschwörungstheorie, aber uns vorzuwerfen, wir läsen heimlich SMS, ist lächerlich«, sagt Andrew Noyes, ein Sprecher des Unternehmens, in einer Erklärung. »Die Genehmigung geht eindeutig aus der App-Seite auf dem Android-Marktplatz hervor und gilt auch für neue Features, die es den Nutzern gestatten, Facebook-Features in ihre SMS zu integrieren. Doch abgesehen von sehr begrenzten Tests haben wir nichts Neues in Gang gesetzt, also nutzen wir die Genehmigung gar nicht«, erläutert Iain Mackenzie, Kommunikationschef für Europa bei Facebook, die Politik des Unternehmens. Er bestreitet sogar, dass das Unternehmen die Entwicklung eigener SMS-Software plant.

»Nur nebenbei… wir haben nicht gesagt, dass wir ein Kurznachrichtenprodukt lancieren«, sagte er.


Verletzung der Privatsphäre: eher Regel als Ausnahme


Das klingt vertraut? Das sollte es auch. Heutzutage gibt es regelmäßig Berichte, die zeigen, dass wir vom Informationszeitalter regelrecht verschlungen werden und die Privatsphäre mit Füßen getreten wird.

Vorwürfe über Verletzungen der Privatsphäre durch Facebook häufen sich dermaßen, dass in den USA mittlerweile sogar die Federal Trade Commission den Beschwerden nachgeht.

»Aber Facebook ist ein dicker Fisch. Heute gibt es Hunderte, wenn nicht Tausende kleiner Fische – viele in Form von Apps für Smartphones, die sich genauso Zugang zu ihren Daten verschaffen wie Facebook, nur weit skrupelloser«, schreibt Joshua Topolsky in der Washington Post.

Genau das scheint das Problem zu sein. Die elektronische Verletzung der Privatsphäre ist derart an der Tagesordnung, dass dringend etwas unternommen werden muss, um alle Schlupflöcher zu schließen.

Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) hat dazu Empfehlungen erstellt. Zunächst solle der Kongress das entsprechende Gesetz, den Electronic Communications Privacy Act aus dem Jahr 1986 (als es noch kein kommerzielles World Wide Web gab und niemand ein Handy besaß), entsprechend ändern. Dazu müsse ein »tragfähiger« Plan gehören, sämtliche elektronisch übermittelten persönlichen Informationen zu schützen, außerdem müssten angemessene Aufsichts- und Meldeverfahren und Schutzmaßnahmen gegen eine Ortung eingerichtet werden.

»Ein Gesetz zum Schutz der Privatsphäre aktualisiert sich nicht von selbst«, so die ACLU. »Die amerikanischen Gründerväter haben erkannt, dass die Bürger in einer Demokratie den Schutz der Privatsphäre für ›Person, Wohnung, Dokumente und Besitztümer‹ brauchen. Das gilt heute mehr denn je. Die Bürger von heute verdienen gewiss nicht weniger Schutz, nur weil ihre ›Dokumente und Besitztümer‹ vielleicht elektronisch gespeichert sind.«


Quellen für diesen Beitrag waren unter anderem:
www.kopp-verlag.de

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