Auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz beginnen in diesen Tagen die Vorbereitungen für die Stationierung neuer amerikanischer Atombomben. Das belegen US-Haushaltspläne, berichtet das ZDF-Magazin Frontal 21. Rüstungsexperten bestätigen, dass die neuen taktischen Nuklearwaffen vom Typ B 61-12 wesentlich zielgenauer sind als die Atombomben, die bislang in Büchel lagern. Im Kriegsfall sollen deutsche Tornado-Piloten im Rahmen der NATO-Strategie der sogenannten „Nuklearen Teilhabe“ Angriffe mit den US-Bomben fliegen. Diese Teilhabe sieht vor, dass Nato-Staaten quasi zu Atommächten werden, indem sie Atomwaffen auf ihrem Territorium und mit der regionalen Infrastruktur unterstützen. Aus dieser Teilhabe kann man, den politischen Willen vorausgesetzt, auch aussteigen: Griechenland und Kanada lehnen die nukleare Teilhabe ab.
Die neuen Waffen sind offenbar auch politisch raffiniert positioniert:„Mit den neuen Bomben verwischen die Grenzen zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen“, kritisiert Hans Kristensen vom Nuclear Information Projects (Atomic Scientists) in Washington im ZDF.
„Uns beunruhigt, dass
Staaten, die eigentlich keine Atomwaffen besitzen, den Einsatz dieser Waffen üben, und zwar im Rahmen der NATO-Praxis der Nuklearen Teilhabe“, erklärt die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Sendung Frontal 21: „Das ist eine Verletzung der Artikel 1 und 2 des Vertrages über die Nichtverbreitung von Atomwaffen.“ Die Sorge der Russen ist nicht unbegründet: Die Nato bereitet sich immer weiter nach Osten aus. Im Zuge der Ukraine-Krise haben viele Staaten, etwa die
Balten und Polen, gefordert, dass es auch auf ihrem Territorium ständige Nato-Stützpunkte geben solle. Das ist mit den Staaten mit finanziellen Vorteilen verbunden, weil sie dann Arbeitsplätze in der operativen Aufrüstung schaffen können. Für die Nato ist es ein Vorteil, weil das Bündnis dann Zugriff auf die Steuergelder dieser Staaten erhält.
Die Bundesregierung hatte genau das Gegenteil gefordert: Der Bundestag hatte im März 2010 mit breiter Mehrheit beschlossen, die Bundesregierung solle sich „gegenüber den amerikanischen Verbündeten mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einsetzen“. Auch im Koalitionsvertrag von Union und FDP hatte die Bundesregierung 2009 den Abzug der Atomwaffen aus Büchel zugesagt. Doch statt der Abrüstung erfolgt nun die Stationierung von rund 20 neuen Nuklearwaffen, die zusammen die Sprengkraft von 80 Hiroshima-Bomben haben.
Gregor Gysi von der Linken hatte 2009 im Bundestag gesagt, dass es den Wählern in Deutschland nicht vermittelbar sei, dass die Bundesregierung ein mit Mehrheit (Linke, SPD, Grüne und FDP waren dafür) beschlossenes Votum einfach ignoriere. Gysi lobte ausdrücklich die damals noch aktuellen Abrüstungspläne von US-Präsident Barack Obama und erläuterte, warum die Abschaffung der US-Atomwaffen in Deutschland die Sicherheitsinteressen Deutschlands mit Sicherheit nicht gefährden würde (die bemerkenswert hellsichtige Rede Gysis im Video am Anfang des Artikels).
Es ist nicht bekannt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel diesem Votum des Bundestags auch nur ansatzweise entsprochen hätte. Offenkundig ist Merkel mit der neuen Aufrüstung auf deutschem Boden einverstanden: Denn es werden erhebliche Mittel der deutsche Steuerzahler für den Ausbau der Flughäfen der US-Air Force zur Verfügung gestellt.
Der SPD-Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler bestätigt dem ZDF, dass dieBundesregierung in den kommenden Jahren rund 120 Millionen Euro in den Bundeswehrstandort Büchel investieren will. Mit diesem Geld soll die Landebahn des Flugplatzes mit einem modernen Instrumentenanflugsystem ausgestattet werden. Weitere europäische Standorte amerikanischer Atomwaffen wie die Luftwaffenbasen in Incirlik/Türkei und Aviano/Italien werden modernisiert. Auch dort soll mit neuen Nuklearbomben vom Typ B 61-12 nachgerüstet werden, bestätigt Hans Kristensen vom Nuclear Information Project.
Der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Willy Wimmer (CDU), warnt im ZDF vor neuen „Angriffsoptionen gegenüber der russischen Föderation“ durch die neuen Atomwaffen in Deutschland und Europa: „Das ist eine bewusste Provokation unserer russischen Nachbarn.“
Die Sendung von Frontal 21 ist am Dienstag, 22. September 2015, um 21.00 Uhr, im ZDF zu sehen.