Sonntag, 11. Januar 2015

Charlie Hebdo: Ermittelnder Kommissar begeht Selbstmord

Gerhard Wisnewski

Alle »Terroristen« und Geiselnehmer tot und ein Ermittler auch – das ist praktisch. Denn so muss es ja auch keine ordentlichen Ermittlungen, keinen Prozess und keine Beweise geben: Keine Beweise für den Ablauf des Attentats auf Charlie Hebdo am 7. Januar 2015, keine Beweise für die Täterschaft der Kouachi-Brüder, keine Beweise für den Ablauf in dem jüdischen Supermarkt − gar nichts. Das Drehbuch der Sicherheitskräfte wird nun zur allein gültigen Wahrheit. Die Lynchjustiz setzte sich durch. Wie sagte doch der französische Innenminister: »Es läuft ein Einsatz, um die Verantwortlichen des feigen Attentats vor zwei Tagen zu neutralisieren« ...



Operation gelungen − Patient tot. Wie oft haben wir das schon erlebt. Zahlreiche Amokläufe und Terroranschläge der letzten Jahre endeten immer wieder mit dem Tod des oder der Täter(s). Der Vorteil liegt auf der Hand: Die jeweilige Version der Sicherheitsbehörden muss sich keinem Gerichtsverfahren und keinen kritischen Fragen eines Angeklagten oder Anwalts stellen.
 
Die Toten dürfen ohne Urteil als schuldig gelten. Im Fall der angeblichen Charlie-Hebdo-Killer ist die Sache sogar noch einfacher. Denn auch Angehörige, die sich beschweren könnten, gibt es in diesem Fall nicht. Jedenfalls keine Eltern: Vater und Mutter von Said und Sharif Kouachi sind schon lange tot, die beiden wuchsen in Kinderheimen auf.

Hinrichtung mit Ansage

Der Tod der Verdächtigen war absehbar. Mit seiner Aussage, der Einsatz diene dazu, die beiden Gesuchten zu »neutralisieren«, verwandelte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve die Fahndung zur Lynchoperation. Denn Verdächtige haben bis zu einem Urteil immer noch als unschuldig zu gelten. Und selbst wenn neuerdings ein Schuldspruch per Akklamation möglich wäre, wäre die Todesstrafe immer noch verboten.

Mit anderen Worten ist der französische Innenminister selbst mordverdächtig. Dabei stand er aber nicht alleine. In seiner Rocky Horror Terror Show machte er die ganze Welt zu Komplizen. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit verwandelte sich die Suche nach den Verdächtigen in eine Menschenjagd mit immer gewisserem Ausgang. Dass die beiden sterben würden, war zwischen Medien, Polizei und Publikum irgendwann Konsens.

Mit jeder Stunde voll hektischer Bilder und blitzender Blaulichter verwandelte sich die internationale Fernseharena in die antike Arena von Rom, wo man Verbrecher einfach den Löwen vorwarf. Ja, mehr noch: Durch die massive Vorverurteilung wurden die beiden Flüchtigen irgendwann zu Ungeziefer. Irgendwann ging es nur noch darum, sie endlich zu kriegen und »Schluss zu machen«.

Beweise − Fehlanzeige

Ja, aber: Die beiden gesuchten Kouachi-Brüder haben doch zwölf Menschen erschossen und viele weitere verletzt! Kein Aber: Denn wie gesagt, sind Verdächtige erst einmal als unschuldig zu betrachten, sogar Hochverdächtige. Nochmals »ja, aber«: Die Gesuchten haben doch angekündigt, als Märtyrer sterben zu wollen! Haben sie das? Und wer hat uns das erzählt? Antwort: Die Polizei.

Also in einem ordentlichen Verfahren nur eine Partei. Ein ordentliches Verfahren gab und wird es aber nicht geben. Nur ein unordentliches − eben jenen polizeilichen und medialen Lynchmob, den der französische Innenminister entfesselt hatte. Und was ist mit dem ebenfalls toten Geiselnehmer in dem jüdischen Supermarkt? Hat er die vier Geiseln etwa nicht erschossen? Vielleicht − vielleicht auch nicht. Denn dass er es tat, sagt der Staatsanwalt, und der ist auch nur eine Partei.

Mit anderen Worten kann man alles, was Behörden und Medien erzählen, ohne ein ordentliches Verfahren gemütlich in der Pfeife rauchen − wobei das eine sehr große Pfeife sein muss.

»Wir töten keine Zivilisten«

Alle angeblichen Aussagen und »Beweise« abzuklopfen, wird noch länger dauern. Vorerst nur ein Beispiel: Angeblich wurden die Flüchtigen am 9. Januar 2015 in der Druckerei CTD in Dammartin-en-Goële nordöstlich von Paris von Zeugen gesehen: »Ein Augenzeuge erzählt Reportern diese Geschichte«, berichtete Bild Online (10.1.15):
»Er habe am Morgen einen Termin mit dem Chef der Druckerei gehabt. Vor der Tür habe er einen schwer bewaffneten Mann getroffen, der eine kugelsichere Weste trug: ›Ich habe ihm die Hand geschüttelt. Er sagte: ›Wir töten keine Zivilisten.‹ Dann schickte er mich fort.‹ Erst später habe er verstanden: Das war einer der Terror-Brüder.«
Soso − der Zeuge redete aber nur von einem »schwerbewaffneten Mann« mit einer kugelsicheren Weste, der sich sogar locker die Hand schütteln ließ. Weder berichtet der Zeuge in diesem Zitat etwas von einem fremden Akzent, fremdem Aussehen, islamistischen Parolen oder irgendwelchen islamistischen Abzeichen. Nur dass der Unbekannte sagte: »Wir töten keine Zivilisten«. Aha − und was waren dann die Zeichner von Charlie Hebdo? Waren das keine Zivilisten?

Erstens widerspricht dies also der offiziellen Version, wonach die Gesuchten jede Menge Zivilisten getötet haben sollen. Zweitens verweist der Ausdruck – Zivilisten − auf einen militärischen Hintergrund der Person. Der Zeuge erwähnt mit keinem Wort, woraus hervorgegangen sei soll, dass es sich um einen der Terroristen handelte. Auch aufgeregt oder auf der Flucht zu sein schien der Mann nicht.

Dass nichts an dem Mann auf einen »Islamisten« hindeutete, geht auch daraus hervor, dass man es dem Zeugen später »erklären« musste. Außerdem: Wenn sich die beiden Gesuchten als Märtyrer töten lassen wollten − warum trugen sie dann überhaupt schusssichere Westen? Und wenn sie welche trugen, wie konnten sie dann einfach in dem späteren Feuergefecht sterben? Hätten sie nicht eine höhere Überlebenschance haben müssen?

Showdown im »Fernsehfenster«

Aus der Begegnung mit dem freundlichen Händeschütteln geht überhaupt keine Eile hervor: Weder die Eile eines Flüchtigen, noch die eines Verfolgers von gefährlichen Terroristen. Was bedeuten könnte, dass es hier überhaupt keine gefährlichen Terroristen gab und es sich bei dem Showdown in der Druckerei um eine Inszenierung handelte. Denn hätte man sonst nicht mehr Hektik von dem Unbekannten erwarten müssen, egal welcher Seite er nun angehörte? Es ist nun einmal schwer zu glauben, dass man es zwei mehr oder weniger prekären Männern erlauben würde, auf ihrer Flucht irgendwo hineinzustolpern und damit Zeit und Ort einer globalen Medienoperation selbst zu bestimmen. Beides war immerhin optimal gewählt:
  • Ein großes, uneinsehbares Gelände mit einem hohen Sichtschutz
  • Ein Zeitpunkt in einem globalen Zeitfenster (cirka 17:00 Uhr), in dem von Europa über Afrika bis in die USA jeder würde zuschauen können. In Asien begann gerade der Tag.

Ermittler beging Selbstmord

Denn schließlich sollten ja auch alle zuschauen: Es ging ja um nichts Geringeres als um die Einigung der Welt gegen den Islam, also um das, was schon Samuel Huntington mit seinem »Clash of Civilisations« (»Kampf der Kulturen«) geplant hatte. Nur dass der Ausdruck Zivilisation nicht mehr stimmt. Zumindest auf westlicher Seite steht nur noch ein gieriges Raubtier, dass die ganze Welt verschlingen will und für das Völkerrecht, Recht und Gesetz nur noch ein Treppenwitz der Geschichte sind.


Beging »Selbstmord«: Charlie-Hebdo-Ermittler Helric Fredou
Quelle: Tendance Ouest, 9.1.2015

Mit anderen Worten wohnen wir hier einer Farce bei, die für manchen vielleicht schwer zu ertragen war. So habe ein ermittelnder Beamter, der mit den Attentaten auf Charlie Hebdo befasst war, Selbstmord begangen, hieß es in den Medien.

Er soll sich kurz nach den Attentaten auf Charlie Hebdo in der Nacht vom 7. auf den 8. Januar 2015 mit seiner Waffe in seinem Büro erschossen haben, berichteten die Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Grund waren angeblich »Depressionen«. Angesichts der Sachlage wäre das vielleicht kein Wunder.

Andererseits ist diese Version aber vielleicht allzu bequem. Für die Behörden hat sie den Vorteil, dass auch dieser Tote für sein Ableben selbst verantwortlich sein soll ...




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