Christen feiern Ostern. Dazu gehört der Karfreitag, jener Tag, an dem Christus am Kreuz starb, zum Fest gehört ebenso die Auferstehung Jesu am Ostersonntag, das leere Grab. Wer regelmäßig die Kirche besucht, lernt dort, dass die Kreuzigung angeblich sein musste, damit den Menschen ihre Sünden vergeben werden können. Ein sogenannter Liebesakt Gottes soll es gewesen sein. Doch starb Jesus für oder wegen der Sünden Vieler? Und verstößt der Mord am Gottessohn nicht eigentlich klar gegen das fünfte Gebot, das da lautet, du sollst nicht töten? Die Meinungen in der Kirche gehen in dieser Sache zunehmend auseinander.
Eine der seit vielen Jahrhunderten zur christlichen Religionslehre gehörenden Auslegung ist der Tod des Gottessohnes am Kreuz. Dieses sogenannte Sühneopfer soll angeblich von Gott »gewollt« gewesen sein, um alle Sünden der Erdenmenschen mit dem Opfer wegzuwaschen. Diese »Lehre« dient Millionen Christen bis heute als Grundlage ihres Glaubens. Sie berufen sich unter anderem auf Johannes: »Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt«. Auslegen kann man diesen Satz allerdings auf zweierlei Weise: Trägt Jesus die Sünde freiwillig oder unfreiwillig? Und: Trägt er sie wirklich? Kann Sündern durch diesen Akt überhaupt geholfen werden?
In der Offenbarung des Johannes wird in der Folge mehrfach Anklage erhoben in den Worten: »Das Lamm, das erwürget wurde!« In seinen Schauungen beschreibt Johannes wiederholt die vorwurfsvollen Ausrufe der Ältesten vor dem Gottesthrone beim jüngsten Gericht, welche alles andere als versöhnlich klingen. Es ist dies eine Klage der hohen Geister. Zeigt sie nicht viel eher ein begangenes Verbrechen an? Und warum wohl sagte Christus am Kreuz auf Golgatha die berühmten Worte: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun«?
Die Sühneopfertod-Lehre: Zunehmend werden auch gläubige Menschen skeptisch. Vor allem jungen Leuten leuchtet diese Auslegung nicht mehr ein, ungerecht finden sie viele, etliche stellen deswegen die Kirche infrage. Und auch bei einigen hochrangigen Vertretern der Kirchenführung ist die Lehre vom Sühneopfer inzwischen umstritten.
Schon im April 2009 entbrannte eine hitzige Diskussion. Der damalige Präses der Rheinischen Landeskirche, Nikolaus Schneider, äußerte zur Verwunderung vieler Kirchenführer und Gläubigen, Gott brauche kein Sühneopfer, »denn es muss ja nicht sein Zorn durch unschuldiges Leiden besänftigt werden«. Und der ehemalige Bonner Superintendent Burkhard Müller hatte zuvor in seiner WDR-Radioandacht für einen Eklat gesorgt: »Ich glaube nicht, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist«. Zwei Jahre zuvor kam die überraschende Meinung des Nürnberger Pfarrers Claus Petersen ans Licht der Öffentlichkeit: »Die Botschaft Jesu war unabhängig von seiner Kreuzigung, und daher glaube ich nicht, dass das Kreuz eine Heilsbedeutung hat«.
Viele Christen waren entrüstet. Schließlich bildet die Sühneopfertod-Lehre einen der wichtigsten Pfeiler ihres christlichen Kirchenglaubens. Doch Zweifel kamen sogar von höchster Stelle: Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber formulierte in seinem 2008 erschienenen Buch »Der christliche Glaube« ähnliche Gedanken: »Jesu Kreuzestod ist nicht eine zwangsläufig geschuldete Sühneleistung zur Besänftigung eines zornigen Gottes, sondern eine aus Freiheit um der Liebe Gottes vollzogene Selbsthingabe.« Der »umfassende Sinn von Kreuz und Auferstehung« dürfe nicht »auf eine rechtsförmige Satisfaktionsvorstellung reduziert werden«.
Karfreitag ist kein Tag zum Feiern. Jesus wurde am Kreuz gemordet. Nicht nur für manche Gläubige dürfte Karfreitag die Erkenntnis bergen, dass sich die Menschheit vor fast zweitausend Jahren Schuld auflud. Ist es nicht so, dass unsere Sünden nur dann vergeben werden können, wenn wir diese bereuen und hart daran arbeiten, dass sie auf keinen Fall wiederholt werden? Die Sühneopfertod-Lehre trennt uns bislang von dieser Einsicht:
»Wer nach 200 Jahren aufgeklärten Christentums immer noch behauptet, man müsse die Bibel wörtlich nehmen und Gott habe Jesus mit dem Foltermord am Kreuz für unsere Sünden büßen lassen, um kurz darauf seine Leiche wieder zu beleben, der verdeckt die zeitlose Substanz des Glaubens«, sagte der ehemalige Rundfunkpfarrer Burkhard Müller. Die Auferstehung sei ein bildlicher Ausdruck für die Erfahrung der Jünger, dass mit dem Tod Jesu und mit unser aller Tod nicht alles vorbei ist, sondern dass der Schöpfer dieser Welt größer ist als der Tod und das Nichts. Darin bestehe das Zentrum der christlichen Botschaft - nicht in der Fixierung auf einen schaurig-sinnlosen Mord am Kreuz, der angeblich erlöse.
Seit langer Zeit, seit Jahrhunderten, sorgt also die Kirchenlehre vom Sühneopfertod des Gottessohnes für die Überzeugung Millionen Gläubiger, man brauche seine Sünden nur vor den Gekreuzigten zu legen, um Vergebung zu erhalten. Doch lenkt diese Ansicht, die die Verantwortung für eigene Taten im Prinzip entschuldigt und aufhebt, die Gläubigen nicht in eine gefährliche Richtung? Entbindet diese Lehre den Menschen nicht vielmehr von seiner Verantwortung der freien Willensentscheidung, an sich zu arbeiten, um besser zu werden?
Und gehört es nicht zu den Aufgaben der neuen Zeit, die bereits angebrochen ist, um das wichtige und richtige Wissen um unseren Schöpfer zurückzuholen? Würden wir unsere Sinne öffnen, und nicht alles durch Begriffsverdrehungen und Dogmen zu erklären suchen, wären wir vielleicht schon längst ein Stück weiter. Es war Jesus selbst, der uns den Weg zeigte mit den Worten: »Wahrlich ich sage euch: Es sei denn, dass ihr umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.«
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