Dienstag, 24. April 2012

Riesiger Feuerball über Nevada und Kalifornien

Am Sonntagmorgen kurz vor acht Uhr durchzuckte ein heller Lichtblitz den Himmel der westlichen Vereinigten Staaten. Über eine Strecke von rund 1.000 Kilometern konnte das Phänomen deutlich verfolgt werden – der strahlende Feuerball zog einen grünlichen Schweif hinter sich her und löste ein Donnergrollen aus, das Häuser erzittern und Alarmanlagen in Autos aufheulen ließ. Allem Anschein nach war ein ungewöhnlich großer Meteor in die irdische Atmosphäre eingetreten und dort explodiert.



Sie waren ja bereits angekündigt worden, die »Besucher aus dem All«: Wie zahlreiche andere Meteorschwärme, so treten auch die Lyriden jedes Jahr zur gleichen Zeit in Erscheinung und sorgen zwischen dem 16. und dem 25. des Monats für einen »Schnuppenregen«. Genau fürs Wochenende stand das kosmische Schauspiel an. Die Lyriden-Aktivität erreichte in der Nacht vom 21. auf den 22. April ihr Maximum. In dieser Zeit läuft unsere Erde mitten durch die Auflösungsprodukte des Kometen Thatcher, der eine Umlaufzeit von 415 Jahren besitzt. Jedes der kleinen Staubteilchen verglüht beim Eintritt in die Erdatmosphäre und regt die umgebende Luft zum Eigenleuchten an, das als Meteorspur wahrgenommen wird. Die April-Lyriden zeigen sich in der Regel allerdings eher bescheiden, mit einer stündlichen Rate von etwa zehn bis 20 Meteoren. Da aber die Verteilung der Partikel ungleichmäßig und auch nicht vollständig bekannt ist, kann es zu unerwarteten Steigerungen kommen. Dieses Jahr waren außerdem die Sichtbedingungen besonders gut, da kein Mondlicht die Beobachtung störte. Doch was am letzten Sonntagmorgen geschah, war sogar bei hellem Tageslicht zu sehen und von ganz anderem Kaliber.



Beiderseits der Sierra Nevada im Westen der USA wurden ungezählte Menschen Zeugen eines Feuerballs der Extraklasse. Der Bolide explodierte über Kalifornien. Ein riesiger Meteor, der sehr tief in die irdische Lufthülle eingedrungen war und somit auch einen deutlichen Überschallknall erzeugte, sorgte für Verunsicherung und Aufregung. Die Explosion erfolgte in den dichteren Schichten der Atmosphäre, in geschätzt acht Kilometer Höhe. Das Ergebnis war ein Lichtblitz, dessen Helligkeit zwischen derjenigen des Vollmonds und der Sonne beschrieben wurde.

Anwohner weiter Gebiete schreckten durch die darauf folgenden Erschütterungen auf, sie vermuteten ein Erdbeben. Doch gab es zu diesem Zeitpunkt keine seismische Aktivität in den Regionen von Reno, Elko und North Las Vegas in Nevada oder auch San Francisco, Sacramento und Bakersfield in Kalifornien. Dennoch wurden die Fundamente von Häusern erschüttert, Alarmanlagen von Autos gingen unvermittelt los und Kinder begannen vor Angst zu weinen. Während Zeugen, die den Feuerball nicht gesehen hatten, zunächst Erdstöße vermuteten und Skeptiker andererseits das ganze Ereignis sogleich ins Reich der Fantasie verweisen wollten, gingen Astronomen bald davon aus, dass hier ein kleinerer Himmelskörper auf die irdische Lufthülle geprallt war.

Etliche Beobachter schilderten, das Ereignis aus unmittelbarer Nähe verfolgt und dabei gesehen zu haben, wie das Objekt unweit ihres Standorts niedergegangen sei. Meist wird die Distanz jedoch deutlich unterschätzt. Untersuchungen von Infraschallsignalen der Explosionsquelle führten dann zum tatsächlichen Ort der Explosion. Der Bolide stürzte relativ langsam auf die Erde, seine Geschwindigkeit lag bei etwa 15 Kilometern pro Sekunde. Die Beobachtungen lassen auch eine Abschätzung der Masse zu.

Es müssen rund 70 metrische Tonnen gewesen sein. Bei dem Ereignis wurden wohl um die 3,8 Kilotonnen TNT-Äquivalent frei, was rund einem Viertel der Atombombenexplosion von Hiroshima entspricht. Unter Annahme eines Steinmeteoriten mit nicht zu hoher mittlerer Dichte hätte der Eindringling immerhin einen Durchmesser von drei bis vier Metern besessen. Hinweise, dass kleinere Bruchstücke davon den Erdboden erreichten, gibt es derzeit nicht. Die meisten Fachleute schließen aus, dass der Meteoroid ein außergewöhnliches Lyriden-Exemplar gewesen ist. Abgesehen davon, dass der dicke Brummer bereits gegen Ende des Maximums eintraf, sind die Auslöser der Lyriden-Meteore als unscheinbare Staubkörnchen bekannt. Demnach dürfte der Bolide wohl eher als völlig unabhängiges, riesiges Kuckucksei anzusehen sein: ein außergewöhnlich großer, sporadischer Meteor. Allerdings sind die genauen Bahndaten des Objekts nicht bekannt, weshalb auch seine Herkunft schwerlich zu ermitteln ist. Dem gegenwärtigen Kenntnisstand zufolge darf jedenfalls von einem natürlichen Himmelskörper ausgegangen werden.

Quelle:
www.kopp-verlag.de