Am Sonntagmorgen kurz vor acht Uhr durchzuckte ein heller
Lichtblitz den Himmel der westlichen Vereinigten Staaten. Über eine
Strecke von rund 1.000 Kilometern konnte das Phänomen deutlich verfolgt
werden – der strahlende Feuerball zog einen grünlichen Schweif hinter
sich her und löste ein Donnergrollen aus, das Häuser erzittern und
Alarmanlagen in Autos aufheulen ließ. Allem Anschein nach war ein
ungewöhnlich großer Meteor in die irdische Atmosphäre eingetreten und
dort explodiert.
Sie waren ja bereits angekündigt worden, die »Besucher aus dem All«:
Wie zahlreiche andere Meteorschwärme, so treten auch die Lyriden jedes
Jahr zur gleichen Zeit in Erscheinung und sorgen zwischen dem 16. und dem 25. des Monats für einen
»Schnuppenregen«. Genau fürs Wochenende stand das kosmische Schauspiel
an. Die Lyriden-Aktivität erreichte in der Nacht vom 21. auf den 22.
April ihr Maximum. In dieser Zeit läuft unsere Erde mitten durch die Auflösungsprodukte des Kometen Thatcher, der eine Umlaufzeit von 415
Jahren besitzt. Jedes der kleinen Staubteilchen verglüht beim Eintritt
in die Erdatmosphäre und regt die umgebende Luft zum Eigenleuchten an,
das als Meteorspur wahrgenommen wird. Die April-Lyriden zeigen sich in
der Regel allerdings eher bescheiden, mit einer stündlichen Rate von
etwa zehn bis 20 Meteoren. Da aber die Verteilung der Partikel
ungleichmäßig und auch nicht vollständig bekannt ist, kann es zu
unerwarteten Steigerungen kommen. Dieses Jahr waren außerdem die
Sichtbedingungen besonders gut, da kein Mondlicht die Beobachtung
störte. Doch was am letzten Sonntagmorgen geschah, war sogar bei hellem
Tageslicht zu sehen und von ganz anderem Kaliber.
Beiderseits der Sierra Nevada im Westen der USA wurden ungezählte
Menschen Zeugen eines Feuerballs der Extraklasse. Der Bolide explodierte
über Kalifornien. Ein riesiger Meteor, der sehr tief in die irdische
Lufthülle eingedrungen war und somit auch einen deutlichen
Überschallknall erzeugte, sorgte für Verunsicherung und Aufregung. Die
Explosion erfolgte in den dichteren Schichten der Atmosphäre, in
geschätzt acht Kilometer Höhe. Das Ergebnis war ein Lichtblitz, dessen
Helligkeit zwischen derjenigen des Vollmonds und der Sonne beschrieben
wurde.
Anwohner weiter Gebiete schreckten durch die darauf folgenden
Erschütterungen auf, sie vermuteten ein Erdbeben. Doch gab es zu diesem
Zeitpunkt keine seismische Aktivität in den Regionen von Reno, Elko und
North Las Vegas in Nevada oder auch San Francisco, Sacramento und
Bakersfield in Kalifornien. Dennoch wurden die Fundamente von Häusern
erschüttert, Alarmanlagen von Autos gingen unvermittelt los und Kinder
begannen vor Angst zu weinen. Während Zeugen, die den Feuerball nicht
gesehen hatten, zunächst Erdstöße vermuteten und Skeptiker andererseits
das ganze Ereignis sogleich ins Reich der Fantasie verweisen wollten,
gingen Astronomen bald davon aus, dass hier ein kleinerer Himmelskörper
auf die irdische Lufthülle geprallt war.
Etliche Beobachter schilderten, das Ereignis aus unmittelbarer Nähe
verfolgt und dabei gesehen zu haben, wie das Objekt unweit ihres
Standorts niedergegangen sei. Meist wird die Distanz jedoch deutlich
unterschätzt. Untersuchungen von Infraschallsignalen der
Explosionsquelle führten dann zum tatsächlichen Ort der Explosion. Der
Bolide stürzte relativ langsam auf die Erde, seine Geschwindigkeit lag
bei etwa 15 Kilometern pro Sekunde. Die Beobachtungen lassen auch eine
Abschätzung der Masse zu.
Es müssen rund 70 metrische Tonnen gewesen sein. Bei dem Ereignis
wurden wohl um die 3,8 Kilotonnen TNT-Äquivalent frei, was rund einem
Viertel der Atombombenexplosion von Hiroshima entspricht. Unter Annahme
eines Steinmeteoriten mit nicht zu hoher mittlerer Dichte hätte der
Eindringling immerhin einen Durchmesser von drei bis vier Metern
besessen. Hinweise, dass kleinere Bruchstücke davon den Erdboden
erreichten, gibt es derzeit nicht. Die meisten Fachleute schließen aus,
dass der Meteoroid ein außergewöhnliches Lyriden-Exemplar gewesen ist.
Abgesehen davon, dass der dicke Brummer bereits gegen Ende des Maximums
eintraf, sind die Auslöser der Lyriden-Meteore als unscheinbare
Staubkörnchen bekannt. Demnach dürfte der Bolide wohl eher als völlig
unabhängiges, riesiges Kuckucksei anzusehen sein: ein außergewöhnlich
großer, sporadischer Meteor. Allerdings sind die genauen Bahndaten des
Objekts nicht bekannt, weshalb auch seine Herkunft schwerlich zu
ermitteln ist. Dem gegenwärtigen Kenntnisstand zufolge darf jedenfalls
von einem natürlichen Himmelskörper ausgegangen werden.
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