Motto:
"Theosophy is no new candidate for the world's attention,
but only the restatement of principles which havebeen recognised from the very infancy of mankind."
- Mahatma Koot Hoomi: http://blavatskyarchives.com/moderntheosophy.htm
Man will diese Art der Wortverdreherei
zunächst kaum glauben. Statt zu fragen, was "man" in
angloamerik. Ländern unter Theosophie verstand, hätte Hantscher
besser fragen sollen, was Blavatsky, die Begründerin oder besser
neuzeitliche Reformatorin der Theosophie darunter verstand. Ihr
Verständnis der Theosophie (Selbsterkenntis des Göttlichen im
Menschen) ist viel umfassender als das, was Anthroposophen für
gewöhnlich zugestehen wollen und Begrenzungen der Intrepretation der
Theosophie befürworten, die sich aus Kultur, Zeitgeist, Kontinent
und dem jeweiligen Bewußtseinsstand ihrer Vertreter ergeben.
Schließlich hatte Blavatsky den
Begriff Theosophie zur Beschreibung der Lehren, die sie zu verbreiten
suchte, schon vor der Gründung der Theosophischen Gesellschaft im
Jahre 1875 gebraucht, z.B. in einen Brief von 1874 an Prof. Hiram
Corson. Als man zur Gründung der Gesellschaft schritt, die
unbekannten Phänomene und Kräfte zu untersuchen und einen passenden
Namen im Lexikon suchte, hat sie unter vielgenannten Begriffen den
griechischen Begriff Theosophie (wörtlich: Göttliche Weisheit)
durchgesetzt, um damit programmatisch an die Neu-Platoniker
anzuknüpfen, die damals die Theosophische Gesellschaft der Antike
bildeten und ihre Lehren auf geheimnisvolle Bekanntschaften mit
Indien zurückführten.
Daß ihre Theosophie eine Neuschöpfung
sei, wie Andreas Hantscher glaubt - soviel hat sie für sich nie
beansprucht, sondern nur, die zerstreuten Fragmente wieder
zusammenzufügen; daß sie nicht in der Tradition der Renaissance
stehe, ist um soverwunderlicher, als sie direkt an Paracelsus
anknüpft, dessen Schüler sich Theosophen nannten. Blavatsky hat
ihren engsten Schülern zudem anvertraut, daß sie selbst einst der
Paracelsus war, den sie den größten Adepten nannte, den Europa bis
dato kannte. Sie verfügte über Original-Manuskripte von ihm, die
sie dem deutschen Theosophen Dr. Franz Hartmann anvertraute, um diese
zu veröffentlichen. Hartmanns Schriften über Paracelsus erwecken
dem Kenner den Eindruck, daß auch dieser mit dem Geist dieses
verkannten und verlachten Adepten bestens vertraut war. Geht man
davon aus, daß Blavatskys Geheimnis der Wahrheit entspricht - wovon
auszugehen ist -, daß sie in einem Vorleben der deutsche Arzt und
Okkultist Paracelsus war - oder geht man zumindest davon aus, daß
sie mit seinen esoterischen Lehren zumindest sehr vertraut war, was
auch schon eine Leistung wäre, denn von wem könnte man das noch
sagen? - dann ist die Behauptung von Andreas Hantscher geradezu so
ernstzunehmen, wie die seinerzeitige Kritik ihrer besserwissenden
Zeitgenossen, die schon mal in Form eines Journalisten oder
Lexikonredakteurs den Anschein erweckten wollten, als ob sie von der
Theosophie mehr verstünden als die Ober-Theosophin, die Dr. Franz
Hartmann wegen ihrer rätselhaften geistigen Überlegenheit allen
Fachleuten gegenüber, die zu ihr reisten, um sie bloßzustellen,
deshalb "die Sphinx des 19. Jahrhunderts" nannte.
War es wirklich so, daß es ein
Mißverständis des Begriffs Theosophie gibt? Mag sein. Selbst heute,
über 100 Jahre nach Blavatsky, sind weder Freund noch Feind
besonders vertraut mit dem höhergeistigen Gehalt ihrer
tiefschürfenden Lehren. Das ist nicht verwunderlich. Die
esoterischen Lehren von Plato über die Wiedergeburt der menschlichen
Seele, dem früheren Kontinent Atlantis oder früheren Menschenrassen
in ganz fremder Gestalt sind ja selbst heute nach 2.500 Jahren ein
Buch mit sieben Siegeln für alle, die nicht in die Göttliche
Weisheit eingeweiht sind.
Die Wahrheit beim Abgrenzungsstreit
zwischen Steiner und Blavatsky dürfte eher sein, daß Steiner (wie
auch Besant oder Leadbeater) in einige lehrinhaltiche "okkulte
Fallen" (Blenden) der Blavatsky getappt sind, z.B. über
Rassenzyklen, Plantenketten, nachtodliche Zustände. Daß heißt,
Blavatsky hat zweideutig geschrieben und den Schlüssel außer für
Wenige zurückbehalten. Wer nun behauptet, im Sinne Blavatskys zu
sprechen und zu lehren oder im Namen derselben Meister der Weisheit,
muß lehrinhaltliche Unterschiede erklären. Dabei ist zu
unterscheiden zwischen echten Differenzen und Paradoxa, lediglicher
Änderung der Form oder des Bildes, kongruenten Erweiterungen und
tatsächlichen Abweichungen, weil die passenden Schlüssellehren
nicht bekannt waren.
Heute, wo diese beispielhaft genannten
ehemals sehr okkulten Lehren besser bekannt sind und verstanden
werden können, werden lehrinhaltliche Diskrepanzen der drei ersteren
zu Blavatsky sichtbar (dies gilt natürlich erst Recht für die
vielen Channeling-Medien, die behaupten, mit Meistern in Kontakt zu
stehen). Statt nun erklären zu müssen, daß Steiner die Theosophie
von Blavatskyoft nur exoterisch verstanden und damit fehlgedeutet
hatte, kann man natürlich auch sagen, daß ihre Theosophie angeblich
nicht in der Tradition von Antike und Renaissance stehe - was
natürlich nur nach demToten-Buchstaben-Sinn der Fall wäre, aber
nicht in Wirklichkeit, und wenn, dann wäre ja Steiner mit seiner
Interpretation der Göttlichen Weisheit esoterisch noch weiter
entfernt als Blavatsky. Das erspart einem dann, zugeben zu müssen,
daß Steiner kein unfehlbarer Heiliger war, sondern ein fehlbarer
Schüler eines unteren Grades.
Aber gerade diese Relativierung von
Allmachts- und Vollkommenheitsphantasien, wie sie durch den
Fanatismus des Christentums jahrhundertelang in uns eingepflanzt
worden sind, macht ja die Blavatskysche Theosophie gerade aus, denn
weder sie, noch ihre Lehrmeister konnten und wollten Unfehlbarkeit
für sich in Anspruch nehmen, etwas, was hierzulande wohl so
befremdlich ist, daß sich christliche Theologen bis heute wundern,
wenn sie einen kleinen Fehler bei einem Zitat oder fehlende
Anführungszeichen bei theosophischen Texten finden, die auf okkulte
Weise zustande gekommen (spiegelverkehrtes Lesen im Astrallicht oder
Bewußtseinstransfer auf einen Schreibe-Schüler) sind; von Personen,
die aus einem anderen kulturellen Wertesystem kommen, wo mehr auf den
Inhalt, als auf die äußere Form Wert gelegt wird. Solche kleinen
Fehler wurden von Blavatsky und ihren Lehrern auch zugeben, da sie
als selbstverständlich angesehen werden, weil auch Eingeweihte in
der Esoterik immer noch fehlbare Menschen sind.
Wenn denn Andreas Hantscher die
Abgrenzung der Anthroposophie von der Theosophie hieran festmachen
sollte, daß ihr Lehrer anscheinend ein unfehlbarer Gott war, dann
würde es sicher nicht zum Vorteil der Anthroposophie gereichen und
es wäre gesünder, sich die Bescheidenheit der Blavatskyschen
Theosophie zu eigen zu machen. Mit Wortgeklingel, Sophismus und
exoterischem Fehldeuten begeben sich die Anthroposophen als Teil der
sehr bunten und weitverzweigten weltweiten Theosophischen Bewegung in
die Gefahr, auf dem Wege falsch abzubiegen, so wie es der aufkommende
Vatikan im 4. Jahrhundert tat. Das wäre schade, denn die alten
astralen Spuren müssen nicht immer wieder benutzt werden wie in "Und
täglich grüßt das Murmeltier". Die lehrinhaltlichen
Unterschiede in den vielen verschiedenen Schulen der breiten Bewegung
mögen noch so groß oder noch so klein sein, tatsächlich existieren
oder künstlich herbeigeschrieben sein, eines ist jedenfalls klar:
Sie alle, ob sie sich nun Anthroposophen, Golden Dawn, Rosenkreuzer,
New Thought oder wie auch immer nennen, gehen direkt -
zugegebenermaßen oder nicht zugegebenermaßen - auf die
deutsch-russische rätselhafte Frau zurück.
Der berühmte Schriftsteller Karl
Bleibtreu ist der Autor des großen Werkes "Die Vertreter des
[19.] Jahrhunderts". Dort widmete er dem genialen Geist der
Blavatsky ein ganzes Kapitel. Bleibtreu spricht über den Theosophen
Swedenborg und beklagt sich dabei, daß alle möglichen Menschen in
den Lexika, auch er selbst, breit gewürdigt würden, aber diese
große Frau oft verleugnet oder verzerrt dargestellt wird, mit
folgenden Worten:
"Zwar wird einem nicht alles gegeben und dieser große Mann (Swedenborg) ward in gewissem Sinne nur ein Wegweiser. Nachdem er das Alphabet der Allsprache gelernt, strauchelte er, geblendet von ungeschautem Unendlichen und angeschauter Öffnung des Lichttores, stammelte nur noch in gebrochenen Lauten. Ehrwürdig bleibe er uns für und für, doch ein größerer Menschheitsvertreter trat ins Licht der innersten Kreise und las vernehmlich das letzte Wort, das Swedenborg suchte. In weiblicher Gestalt erschien der Erbe Swedenborgs (vielleicht auch Cagliostros) und als Autor der 'Geheimlehre' schied von der Erde des Jahrhunderts größter Geist: Helena Petrowna Blavatsky..."
"Zwar wird einem nicht alles gegeben und dieser große Mann (Swedenborg) ward in gewissem Sinne nur ein Wegweiser. Nachdem er das Alphabet der Allsprache gelernt, strauchelte er, geblendet von ungeschautem Unendlichen und angeschauter Öffnung des Lichttores, stammelte nur noch in gebrochenen Lauten. Ehrwürdig bleibe er uns für und für, doch ein größerer Menschheitsvertreter trat ins Licht der innersten Kreise und las vernehmlich das letzte Wort, das Swedenborg suchte. In weiblicher Gestalt erschien der Erbe Swedenborgs (vielleicht auch Cagliostros) und als Autor der 'Geheimlehre' schied von der Erde des Jahrhunderts größter Geist: Helena Petrowna Blavatsky..."
Mein Bleibtreu-Eintrag zu Blavatsky in
der "freien Enzyklopädie" Wikipedia wurde immer wieder
gelöscht, zuletzt wurde ich von nicht gewählten Zensoren (sie
nennen sich dort lustigerweise "Moderatoren") gesperrt.
Wikipedia ist offenbar so frei, daß am gängigen judeo-christlichen
Weltbild nicht gerüttelt werden darf. So frei, daß nicht einmal
eine wirkliche Tatsache freigegeben wird (ich habe das Bleibtreu-Buch
im Original und es ist auch in Bibliotheken sehr verbreitet, es ist
also nachprüfbar), aber umgekehrt gehen bei Wikipedia alle möglichen
Lügen, Intrigen und Unterstellungen gegen Blavatsky (uneheliches
Kind, Dorgenkonsum, Fälschungsvorwurf usw.) bei der Zensur glatt
durch, selbst, wenn es dafür keine Belege oder nur eine einzige
Behauptung einer mißgünstigen Person gibt. Sie verstehen also unter
Freiheit, die Freiheit zu haben, uns zu belügen.
Meinungsfreiheit setzt übrigens
voraus, daß dich der Leser aus verschiedenen Meinungen eine eigene
bilden kann. Das ist bei Wikipedia und überhaupt bei den qualitiativ
schlecht recherchierten Lexika, Biographien, Webseiten über
Blavatsky gar nicht möglch, da die Desinformationen über Blavatsky
überwiegen, ob nun aufgrund von Unverstand oder aus bestimmten
Interesse heraus, sei dahingestellt.
Leider wird man durch anthroposophische Artikel wie diesen zumindest über Blavatsky nicht klüger, wohl aber zumindest darüber, was die Anthroposophen glauben, was Theosophie ist.
Wie wäre es, wenn Freund und Feind der
Blavatsky einmal darüber meditieren, wie Blavatsky die
Gretchenfragen: "Was ist Theosophie?" und "Was sind
die Theosophen?" selbst beantwortet? Manche könnten überrascht
sein.
Weiterführend:
Helena Blavatsky: What Is
Theosophy?
http://www.katinkahesselink.net/w_theos.htm
http://www.katinkahesselink.net/w_theos.htm
Helena Blavatsky: What Are The
Theosophists?
http://www.katinkahesselink.net/blavatsky/articles/v2/y1879_021.htm
http://www.katinkahesselink.net/blavatsky/articles/v2/y1879_021.htm
Gastbeitrag von Frank Reitemeyer
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