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Dienstag, 21. August 2012

Theosophie-Verdrehungen bei "Zander zitiert"

Motto:
"Theosophy is no new candidate for the world's attention,
but only the restatement of principles which have
been recognised from the very infancy of mankind."
- Mahatma Koot Hoomi: http://blavatskyarchives.com/moderntheosophy.htm


Indische Briefmarke von 1975 zum
100-jährigen Geburtstag der modernen Theosophischen
 Gesellschaft. Das Siegel der TG mit den sechs arischen
Symbolen, umringt von den Farben gold-rot-schwarz und
dem Motto, welches übersetzt bedeutet: "Keine Religion ist höher
als die Wahrheit!" Gold-rot-schwarz sind auch die Farben des
Hambacher Festes, mit denen man in Deutschland die durch die
Jesuiten bewirkte Teilung und Fremdherrschaft des
Vaterlandes überwinden wollte und "Deutschlands Wiedergeburt"
erreichen wollte. Helena Blavatsky hatte väterlicherseits
deutsche Vorfahren (Peter von Rottenstern-Hahn, Offizier
in russischen Diensten im Kurland).
Seit über 100 Jahren nun schon geht der Streit darum, ob Rudolf Steiner, von 1902-1912 Generalsektretär der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft nun Theosoph war und erst mit der Abspaltung 1912/13 Antroposoph wurde, oder ob er schon 1902 oder vor 1902 Anthroposoph war. Nun erscheint online die Apologie von Andreas Hantscher:


Man will diese Art der Wortverdreherei zunächst kaum glauben. Statt zu fragen, was "man" in angloamerik. Ländern unter Theosophie verstand, hätte Hantscher besser fragen sollen, was Blavatsky, die Begründerin oder besser neuzeitliche Reformatorin der Theosophie darunter verstand. Ihr Verständnis der Theosophie (Selbsterkenntis des Göttlichen im Menschen) ist viel umfassender als das, was Anthroposophen für gewöhnlich zugestehen wollen und Begrenzungen der Intrepretation der Theosophie befürworten, die sich aus Kultur, Zeitgeist, Kontinent und dem jeweiligen Bewußtseinsstand ihrer Vertreter ergeben.

 
Hätte er dies getan, hätte ihm auffallen können, daß seine Spekulationen völlig aus der Luft gegriffen sind. Anstatt alte Irrtümer zuzugeben, versteift er sich darauf, alte, die Abspaltung rechtfertigende Scheinargumente aufzuwärmen, in der Hoffnung, daß die Fehlinterpretation der Blavatskyschen Theosophie selbst im Intenetzeitalter keiner merkt, wo doch ihre Texte und die ihrer zahlreichen Schüler und ihrer esoterischen Nachfolger in der Übertragungslinie der Dzyan-Schule schnell verfügbar sind.

Schließlich hatte Blavatsky den Begriff Theosophie zur Beschreibung der Lehren, die sie zu verbreiten suchte, schon vor der Gründung der Theosophischen Gesellschaft im Jahre 1875 gebraucht, z.B. in einen Brief von 1874 an Prof. Hiram Corson. Als man zur Gründung der Gesellschaft schritt, die unbekannten Phänomene und Kräfte zu untersuchen und einen passenden Namen im Lexikon suchte, hat sie unter vielgenannten Begriffen den griechischen Begriff Theosophie (wörtlich: Göttliche Weisheit) durchgesetzt, um damit programmatisch an die Neu-Platoniker anzuknüpfen, die damals die Theosophische Gesellschaft der Antike bildeten und ihre Lehren auf geheimnisvolle Bekanntschaften mit Indien zurückführten.

Daß ihre Theosophie eine Neuschöpfung sei, wie Andreas Hantscher glaubt - soviel hat sie für sich nie beansprucht, sondern nur, die zerstreuten Fragmente wieder zusammenzufügen; daß sie nicht in der Tradition der Renaissance stehe, ist um soverwunderlicher, als sie direkt an Paracelsus anknüpft, dessen Schüler sich Theosophen nannten. Blavatsky hat ihren engsten Schülern zudem anvertraut, daß sie selbst einst der Paracelsus war, den sie den größten Adepten nannte, den Europa bis dato kannte. Sie verfügte über Original-Manuskripte von ihm, die sie dem deutschen Theosophen Dr. Franz Hartmann anvertraute, um diese zu veröffentlichen. Hartmanns Schriften über Paracelsus erwecken dem Kenner den Eindruck, daß auch dieser mit dem Geist dieses verkannten und verlachten Adepten bestens vertraut war. Geht man davon aus, daß Blavatskys Geheimnis der Wahrheit entspricht - wovon auszugehen ist -, daß sie in einem Vorleben der deutsche Arzt und Okkultist Paracelsus war - oder geht man zumindest davon aus, daß sie mit seinen esoterischen Lehren zumindest sehr vertraut war, was auch schon eine Leistung wäre, denn von wem könnte man das noch sagen? - dann ist die Behauptung von Andreas Hantscher geradezu so ernstzunehmen, wie die seinerzeitige Kritik ihrer besserwissenden Zeitgenossen, die schon mal in Form eines Journalisten oder Lexikonredakteurs den Anschein erweckten wollten, als ob sie von der Theosophie mehr verstünden als die Ober-Theosophin, die Dr. Franz Hartmann wegen ihrer rätselhaften geistigen Überlegenheit allen Fachleuten gegenüber, die zu ihr reisten, um sie bloßzustellen, deshalb "die Sphinx des 19. Jahrhunderts" nannte.

War es wirklich so, daß es ein Mißverständis des Begriffs Theosophie gibt? Mag sein. Selbst heute, über 100 Jahre nach Blavatsky, sind weder Freund noch Feind besonders vertraut mit dem höhergeistigen Gehalt ihrer tiefschürfenden Lehren. Das ist nicht verwunderlich. Die esoterischen Lehren von Plato über die Wiedergeburt der menschlichen Seele, dem früheren Kontinent Atlantis oder früheren Menschenrassen in ganz fremder Gestalt sind ja selbst heute nach 2.500 Jahren ein Buch mit sieben Siegeln für alle, die nicht in die Göttliche Weisheit eingeweiht sind.

Die Wahrheit beim Abgrenzungsstreit zwischen Steiner und Blavatsky dürfte eher sein, daß Steiner (wie auch Besant oder Leadbeater) in einige lehrinhaltiche "okkulte Fallen" (Blenden) der Blavatsky getappt sind, z.B. über Rassenzyklen, Plantenketten, nachtodliche Zustände. Daß heißt, Blavatsky hat zweideutig geschrieben und den Schlüssel außer für Wenige zurückbehalten. Wer nun behauptet, im Sinne Blavatskys zu sprechen und zu lehren oder im Namen derselben Meister der Weisheit, muß lehrinhaltliche Unterschiede erklären. Dabei ist zu unterscheiden zwischen echten Differenzen und Paradoxa, lediglicher Änderung der Form oder des Bildes, kongruenten Erweiterungen und tatsächlichen Abweichungen, weil die passenden Schlüssellehren nicht bekannt waren.

Heute, wo diese beispielhaft genannten ehemals sehr okkulten Lehren besser bekannt sind und verstanden werden können, werden lehrinhaltliche Diskrepanzen der drei ersteren zu Blavatsky sichtbar (dies gilt natürlich erst Recht für die vielen Channeling-Medien, die behaupten, mit Meistern in Kontakt zu stehen). Statt nun erklären zu müssen, daß Steiner die Theosophie von Blavatskyoft nur exoterisch verstanden und damit fehlgedeutet hatte, kann man natürlich auch sagen, daß ihre Theosophie angeblich nicht in der Tradition von Antike und Renaissance stehe -  was natürlich nur nach demToten-Buchstaben-Sinn der Fall wäre, aber nicht in Wirklichkeit, und wenn, dann wäre ja Steiner mit seiner Interpretation der Göttlichen Weisheit esoterisch noch weiter entfernt als Blavatsky. Das erspart einem dann, zugeben zu müssen, daß Steiner kein unfehlbarer Heiliger war, sondern ein fehlbarer Schüler eines unteren Grades.

Aber gerade diese Relativierung von Allmachts- und Vollkommenheitsphantasien, wie sie durch den Fanatismus des Christentums jahrhundertelang in uns eingepflanzt worden sind, macht ja die Blavatskysche Theosophie gerade aus, denn weder sie, noch ihre Lehrmeister konnten und wollten Unfehlbarkeit für sich in Anspruch nehmen, etwas, was hierzulande wohl so befremdlich ist, daß sich christliche Theologen bis heute wundern, wenn sie einen kleinen Fehler bei einem Zitat oder fehlende Anführungszeichen bei theosophischen Texten finden, die auf okkulte Weise zustande gekommen (spiegelverkehrtes Lesen im Astrallicht oder Bewußtseinstransfer auf einen Schreibe-Schüler) sind; von Personen, die aus einem anderen kulturellen Wertesystem kommen, wo mehr auf den Inhalt, als auf die äußere Form Wert gelegt wird. Solche kleinen Fehler wurden von Blavatsky und ihren Lehrern auch zugeben, da sie als selbstverständlich angesehen werden, weil auch Eingeweihte in der Esoterik immer noch fehlbare Menschen sind.

Wenn denn Andreas Hantscher die Abgrenzung der Anthroposophie von der Theosophie hieran festmachen sollte, daß ihr Lehrer anscheinend ein unfehlbarer Gott war, dann würde es sicher nicht zum Vorteil der Anthroposophie gereichen und es wäre gesünder, sich die Bescheidenheit der Blavatskyschen Theosophie zu eigen zu machen. Mit Wortgeklingel, Sophismus und exoterischem Fehldeuten begeben sich die Anthroposophen als Teil der sehr bunten und weitverzweigten weltweiten Theosophischen Bewegung in die Gefahr, auf dem Wege falsch abzubiegen, so wie es der aufkommende Vatikan im 4. Jahrhundert tat. Das wäre schade, denn die alten astralen Spuren müssen nicht immer wieder benutzt werden wie in "Und täglich grüßt das Murmeltier". Die lehrinhaltlichen Unterschiede in den vielen verschiedenen Schulen der breiten Bewegung mögen noch so groß oder noch so klein sein, tatsächlich existieren oder künstlich herbeigeschrieben sein, eines ist jedenfalls klar: Sie alle, ob sie sich nun Anthroposophen, Golden Dawn, Rosenkreuzer, New Thought oder wie auch immer nennen, gehen direkt - zugegebenermaßen oder nicht zugegebenermaßen - auf die deutsch-russische rätselhafte Frau zurück.

Der berühmte Schriftsteller Karl Bleibtreu ist der Autor des großen Werkes "Die Vertreter des [19.] Jahrhunderts". Dort widmete er dem genialen Geist der Blavatsky ein ganzes Kapitel. Bleibtreu spricht über den Theosophen Swedenborg und beklagt sich dabei, daß alle möglichen Menschen in den Lexika, auch er selbst, breit gewürdigt würden, aber diese große Frau oft verleugnet oder verzerrt dargestellt wird, mit folgenden Worten:

"Zwar wird einem nicht alles gegeben und dieser große Mann (Swedenborg) ward in gewissem Sinne nur ein Wegweiser. Nachdem er das Alphabet der Allsprache gelernt, strauchelte er, geblendet von ungeschautem Unendlichen und angeschauter Öffnung des Lichttores, stammelte nur noch in gebrochenen Lauten. Ehrwürdig bleibe er uns für und für, doch ein größerer Menschheitsvertreter trat ins Licht der innersten Kreise und las vernehmlich das letzte Wort, das Swedenborg suchte. In weiblicher Gestalt erschien der Erbe Swedenborgs (vielleicht auch Cagliostros) und als Autor der 'Geheimlehre' schied von der Erde des Jahrhunderts größter Geist: Helena Petrowna Blavatsky..."
Mein Bleibtreu-Eintrag zu Blavatsky in der "freien Enzyklopädie" Wikipedia wurde immer wieder gelöscht, zuletzt wurde ich von nicht gewählten Zensoren (sie nennen sich dort lustigerweise "Moderatoren") gesperrt. Wikipedia ist offenbar so frei, daß am gängigen judeo-christlichen Weltbild nicht gerüttelt werden darf. So frei, daß nicht einmal eine wirkliche Tatsache freigegeben wird (ich habe das Bleibtreu-Buch im Original und es ist auch in Bibliotheken sehr verbreitet, es ist also nachprüfbar), aber umgekehrt gehen bei Wikipedia alle möglichen Lügen, Intrigen und Unterstellungen gegen Blavatsky (uneheliches Kind, Dorgenkonsum, Fälschungsvorwurf usw.) bei der Zensur glatt durch, selbst, wenn es dafür keine Belege oder nur eine einzige Behauptung einer mißgünstigen Person gibt. Sie verstehen also unter Freiheit, die Freiheit zu haben, uns zu belügen.
Meinungsfreiheit setzt übrigens voraus, daß dich der Leser aus verschiedenen Meinungen eine eigene bilden kann. Das ist bei Wikipedia und überhaupt bei den qualitiativ schlecht recherchierten Lexika, Biographien, Webseiten über Blavatsky gar nicht möglch, da die Desinformationen über Blavatsky überwiegen, ob nun aufgrund von Unverstand oder aus bestimmten Interesse heraus, sei dahingestellt.

Leider wird man durch anthroposophische Artikel wie diesen zumindest über Blavatsky nicht klüger, wohl aber zumindest darüber, was die Anthroposophen glauben, was Theosophie ist.
Wie wäre es, wenn Freund und Feind der Blavatsky einmal darüber meditieren, wie Blavatsky die Gretchenfragen: "Was ist Theosophie?" und "Was sind die Theosophen?" selbst beantwortet? Manche könnten überrascht sein.

Weiterführend:
Helena Blavatsky: What Is Theosophy?
http://www.katinkahesselink.net/w_theos.htm
Helena Blavatsky: What Are The Theosophists?
http://www.katinkahesselink.net/blavatsky/articles/v2/y1879_021.htm

Gastbeitrag von Frank Reitemeyer

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