Darf ich mich vorstellen? Ich bin ein Olivenöl-Fan. Was lange im wahrsten Sinne des Wortes nur Bauchgefühl bei mir war, hat seine Bestätigung jetzt durch fundierte Sachinformationen gefunden. Genauer gesagt, seitdem ich Birgit Frohns Buch Natürlich heilen mit Olivenöl gelesen habe. Und je mehr ich von ihren Vorschlägen ausprobiere, desto intensiver wird aus dem ehemals rein kulinarischen ein Wohlbefinden des ganzen Körpers – Haut und Haare inklusive.
Doch machen wir es uns vielleicht zuerst einmal mit einem Glas guten Rotweins sowie einer leckeren Portion italienischer Bruschetta gemütlich. Birgit Frohns einfaches Rezept dafür lautet: »Rösten Sie mehrere Scheiben Weißbrot, streichen mit einer Knoblauchzehe darüber, salzen und pfeffern und tränken die so vorbereiteten Brotscheiben in reichlich erstklassigem nativen Olivenöl extra.«
Solcherart gestärkt, begreifen wir schnell, warum laut griechischer Sage Athene den Wettstreit mit Poseidon gewann, als sie beide um die Gunst der größten und einflussreichsten Stadt des Altertums rangen. Nur wer den Einwohnern das beste und nützlichste Geschenk machte, sollte von Zeus zum Namenspatron der Stadt erwählt werden. Doch während der Meeresgott Poseidon der unter Trockenheit leidenden Region einen Brunnen schenkte, in dem sich nur Salzwasser befand, stieß Athene, die Göttin der Weisheit, ihre Lanze in den Erdboden, und hervor wuchs ein Ölbaum. Dieser war ein wahrhaft nützliches Geschenk, spendete er doch Nahrung, Olivenöl und Holz. Mit ihrer Gabe gewann Athene das Duell, und die Stadt wurde nach ihr benannt: Sie hieß fortan Athen.
Mit dem »heiligen Baum der Antike«, dem Ölbaum, schließt denn auch der Leser gleich zu Beginn von Birgit Frohns Buch Freundschaft. Er erfährt interessante Details zum Baum selbst und zu seiner Geschichte. So zählt dieser Veteran unter den Pflanzen neben Getreide und Wein zu den ältesten bekannten Nahrungsmitteln. Seine ursprüngliche Heimat ist das östliche Mittelmeergebiet, und da er mehr als 2.000 Jahre alt werden kann, ist es durchaus möglich, dass in den Schatten der heutigen Ölbäume im Garten Gethsemane bereits Jesus mit seinen Jüngern weilte. Das hohe Alter ist besonders erstaunlich, bedenkt man, dass der Pflanze oft nur trockene und karge Böden zur Verfügung stehen. Nach sieben Jahren Wachstums trägt der Baum erstmals Früchte. Seine Blüten werden lediglich durch den Wind bestäubt, und so kommt im Durchschnitt auf etwa 20 davon nur eine einzige Olive! Erst mit 150 Jahren beginnt der Überlebenskünstler merklich zu altern, seine jährlichen Ernteerträge fallen dann deutlich geringer aus.
Doch bevor es soweit kommt, wurde den Menschen von den Göttern vor dem Genuss der reifen Früchte und ihres kostbaren Öls die Aufzucht und Pflege der Ölbäume, vor allem jedoch die alljährliche und sehr arbeitsintensive Ernte der Oliven auferlegt. Zwischen Oktober und Januar, je nach Anbaugebiet und Olivensorte, werden die Früchte zu unterschiedlichen Zeiten geerntet. Der Leser lernt die unterschiedlichen Verfahren hierfür kennen, wobei das Pflücken von Hand als die beste weil schonendste Methode angesehen wird. Dabei werden für nur einen Liter Öl etwa vier bis fünf Kilogramm Früchte benötigt.
Handverlesene Früchte von Bäumen, die ohne chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel wachsen durften, bilden später die Grundlage für Olivenöle der höchsten Qualitätskategorie. »Entscheidend für die Qualität des ›flüssigen Goldes‹ ist auch sein Gehalt an freien Fettsäuren: je niedriger, desto besser ist das Öl.« Die Einteilung der Öle nach EU-Qualitätsstandards, Hinweise, wie das Flaschenetikett richtig zu lesen ist und wie man Olivenöl bei sich zu Hause lagert, damit es seinen Geschmack und seine Wirksamkeit jahrelang behält, runden das Bild ab.
Die mediterrane Lebensweise, in der Oliven und ihr Öl sowohl in der Küche als auch in der Medizin und in der Körperpflege vielseitige Anwendung finden, bildet einen weiteren Schwerpunkt. Südeuropäer lassen sich offenbar im Hinblick auf die Früchte des Ölbaums die Befolgung von Hippokrates Empfehlung: »Lasst eure Nahrungsmittel Heilmittel und eure Heilmittel Nahrungsmittel sein« sehr angelegen sein. Insbesondere in ihrer Küche spielt Olivenöl eine zentrale Rolle: »Es gibt kaum ein Gericht ohne wenigstens einen Spritzer dieser wertvollen Zutat.«
Gründe dafür gibt es viele. Zum Beispiel die einfach ungesättigten Fettsäuren im Olivenöl. Sie machen das Öl so gesund und beugen mancher unserer Zivilisationskrankheiten vor. Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Beschwerden und erhöhter Cholesterinspiegel sind Erkrankungen, denen man mit Olivenöl erfolgreich gegensteuern oder auch vorbeugen kann. So versammelt Birgit Frohn in ihrem Buch rund fünfzig einfach nachzukochende Rezepte aus der französischen, griechischen,
italienischen und spanischen Küche. Von Antipasti (Hors d`œuvre, Mezes und Tapas), über Salate, Brot und Teigwaren, Fisch-, Meeresfrüchte und Fleischgerichte bis hin zu Desserts und süßen Kuchen reicht ihr köstliches Angebot.
Beim Ausprobieren macht sich schon nach kürzester Zeit die Qual der Wahl bemerkbar, deswegen ein kleiner Tipp: Machen Sie es wie die Südeuropäer und kreieren Sie Ihr eigenes Gericht mit mehreren Gängen aus kleinen Vorspeisen, einer bunten Gemüseauswahl zum Hauptgericht und einer feinen Nachspeise. Denn eine solche Vielfalt ist einfach gesünder. Und nicht zuletzt kann sich der Feinschmecker in den nördlicheren Gefilden Europas an den bei uns nicht gar so seltenen grauen Tagen die Sonne des Südens auf diese Weise auf den heimischen Tisch holen.
Doch Olivenöl kommt in Südeuropa von alters her nicht allein in den Küchen zum Einsatz. Es ist dort auch ein bewährtes Heil- und Hausmittel gegen zahllose Krankheiten und Zipperlein. Heilkräftige Kräuterzubereitungen unter Verwendung von Olivenöl werden eingesetzt gegen Hauterkrankungen wie Gürtelrose, Hautpilze, Neurodermitis, gegen Erkältungssymptome wie Bronchitis, Husten, Ohrenschmerzen und bei Verdauungsproblemen und zahllosen anderen Beschwerden.
Und da Olivenöl im Mittelmeerraum seit Langem in dem begründeten Ruf steht, ein universelles Allheilmittel zu sein, wurde das »flüssige Gold« bereits in den alten Kulturen auch als Schönheitsmittel verwendet, und zwar insbesondere zur Haut- und Haarpflege. Birgit Frohn bietet in ihrem Buch eine Auswahl kosmetischer Essenzen mit Olivenöl zur Gesichtsreinigung, zur Herstellung von Seifen, für Cremes und Lotionen, Masken und Packungen, Haarkuren, duftende Badezusätze und vieles andere Wohltuende mehr. »Übrigens kamen im antiken Hellas nicht nur die Irdischen in den Genuss von Olivenöl – auch die Statuen der Götter salbte man regelmäßig damit, denn was den Erdenmenschen zuteilwurde, konnte man schließlich den Göttern nicht vorenthalten.«
Ist es da zweitausend Jahre später nicht an der Zeit, dass die Menschen bei uns in den nördlicheren Gefilden endlich damit beginnen, sich selbst ausgiebig mit Olivenöl zu verwöhnen?
Natürlich heilen mit Olivenöl. Von Birgit Frohn. Kopp Verlag, Rottenburg. 1. Aufl. 2011. 144 Seiten. 7.95 €.