Für deutsche Demographieexperten und Politiker sind Länder
wie Frankreich gemeinhin der Himmel. Eine Geburtenrate bei annähernd
zwei Prozent, davon kann man hier nur träumen, wo frau bei uns doch in
der Regel nur knapp 1,4 Kinder zur Welt bringt. Deswegen wird uns immer
gerne das französische Modell der groß ausgebauten Krippenbetreuung in
Frankreich unter die Nase gerieben, als Vision und Vorbild. Doch es
stellt sich heraus: Diese Behauptungen sind eine Lüge. Das ergeben
Zahlen der französischen Botschaft.
Frankreich hat ja sooo viele Krippen, heißt es. Fast alle unter
Dreijährigen werden dort fremdbetreut. Behaupten unsere Politiker.
Deswegen wird bei uns jetzt die Krippenbetreuung für unter Dreijährige
für 35 Prozent aller Kinder in dem Alter vorangetrieben, damit wir
endlich auch die traumhaften Geburtenraten von Frankreich erreichen.
Gut, eigentlich würde auch schon ein Blick in die einzelnen deutschen
Bundesländer reichen, um festzustellen, dass der Rückschluss »mehr
Kitaplätze gleich höhere Geburtenraten« nicht funktioniert. Denn in den
neuen Bundesländern war das Betreuungsangebot durch die Übernahme der
Kindergärten aus DDR-Zeiten schon immer deutlich höher als in den alten
Bundesländern. Dennoch sind dort die Geburtenraten leider noch viel
niedriger als der bundesdeutsche Durchschnitt. Im Gegenzug haben die
Länder mit dem geringsten Angebot an U3-Betreuung die höchsten
Geburtenraten.
Was die meisten allerdings nicht wissen: Erstens: Frankreich tut weit
mehr für die Familien als nur Krippenplätze zu bauen, und zweitens: In
Frankreich werden keineswegs die Kinder unter drei Jahren größtenteils
in Krippen betreut – stattdessen ist der Anteil der Krippenkinder in dem
Alter mit gerade mal gut 13 Prozent sogar sehr gering. Also, wenn bei
uns von der Politik gefordert wird, sich ein Beispiel an Frankreich zu
nehmen: ja gerne, aber bitte nicht selektiv nur die politisch gewollten
Rosinen herauspicken.
Die französische Botschaft in Deutschland hat anhand von Zahlen aus
dem Jahr 2006 vorgerechnet, wie die Betreuung in Frankreich verteilt
wird. Schon damals lag die Geburtenrate der Französinnen bei knapp zwei
Prozent. Zu dem Zeitpunkt gab es in Frankreich 4,8 Millionen Kinder
unter sechs Jahren, davon waren 2,3 Millionen Kinder unter drei Jahren.
Für diese Kinder standen ein Drittel der Betreuungsplätze in
Kindertagesstätten, Kindergärten und Mehrfachbetreuungseinrichtungen zur
Verfügung, in Zahlen ausgedrückt: 317.000 Plätze. Nach Adam Riese haben
also nur 13,2 Prozent der Null- bis Zweijährigen in Frankreich eine
öffentliche Einrichtung besucht – es kann also nicht allein an der
massiven staatlichen Fremdbetreuung liegen, dass die Geburtenrate in
Frankreich hoch ist.
Die französische Botschaft gibt auch dazu Auskunft, denn man hat dort
sehr viel umfassendere Instrumente als in Deutschland, um gerade
Familien auch mit mehreren Kindern zu unterstützen. So kümmert sich die
Politik in Frankreich explizit um die Unterstützung von Kleinkindern,
auf diesen Sektor entfallen Ausgaben von über 10,2 Milliarden und somit
ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Frankreich. Darin enthalten
ist zum Beispiel eine Finanzierung der Sozialversicherung für Familien,
die auf dem Grundsatz der »freien Wahl der Familien« hinsichtlich
Berufs- und Familienleben basiere, so die Auskunft der französischen
Botschaft. Zusätzlich fördert Frankreich durch zwei weitere Komponenten
junge Familien: Tagesmütter werden massiv subventioniert, die das Kind
entweder bei sich zu Hause oder gar im Haushalt der Eltern betreuen,
außerdem gewährt der Staat Eltern eine massive Steuerfreiheit je nach
Kinderzahl, die dazu führt, dass Familien spätestens ab dem dritten Kind
quasi steuerfrei leben – bei uns in Deutschland ist das der Zeitpunkt,
an dem Familien anfangen, in die Armutsfalle zu rutschen.
Doch auch weitere monetäre Instrumente der Familienförderung hat man
in Frankreich auf dem Plan: Direkthilfen wie etwa eine Geburtszulage,
eine Basisunterstützung, Zusatzhilfe für die freie Wahl der
Betreuungsform, Zusatzhilfe für die freie Wahl der Erwerbstätigkeit.
Dazu gibt es auch Sachleistungen wie zum Beispiel die Organisation von
alternativen Betreuungsdiensten, die in Frankreich dann auch bezahlbar
sind, weil der Staat sie mit fördert und nicht nur die Krippen.
Wenn Ihnen also mal wieder Frankreich als glühendes Beispiel unter
die Nase gerieben wird, rufen sie laut: ja bitte! Aber dann das ganze
Paket, mit Steuerfreiheit durch Familiensplittung, mit Förderung von Tagesmüttern, mit Förderung von Familien zu Hause und nicht nur mit dem Ausbau von Krippenplätzen.
Übrigens: Auch Skandinavien wird uns immer gerne als leuchtendes
Beispiel serviert, aber auch in Bezug auf die nordischen Länder
existiert in Deutschland offenbar eine Art selektive Wahrnehmung, wie in
der aktuellen Betreuungsgelddebatte erkennbar ist. Denn in fast allen
skandinavischen Ländern existiert bereits seit Jahren ein Betreuungsgeld
als alternative Komponente zum Kitaausbau. Teilweise ist es sogar
direkt gekoppelt an die Stundenzahl, die ein Kind zu Hause
beziehungsweise in der Kita verbringt. Das heißt: Nehmen die Eltern
keinen Kitaplatz, bekommen sie das volle Betreuungsgeld, das je nach
Land und Region zwischen 250 und über 600 Euro monatlich schwankt.
Nehmen die Eltern nur ein paar Stunden Betreuung in der Kita, bekommen
sie den Rest des Geldes ausgezahlt, und nehmen sie den ganzen Kitaplatz,
bekommen sie nichts ausgezahlt. Ganz einfach und undogmatisch.
Warum ist das nicht auch in Deutschland möglich? Warum streiten wir
hier immer noch erbittert um eine »Herdprämie« von nur 150 Euro, mit
denen man die Eltern, wenn überhaupt, ab nächstem Jahr abspeisen will?
Es ist Zeit, die Augen zu öffnen: Der deutsche Weg ist längst überholt
durch die wichtige Erkenntnis, dass kleine Kinder ihre Mütter und Väter
dringender brauchen als eine Krippe. Das wissen die Menschen in vielen
europäischen Ländern bereits, trotz anderer Vorgaben aus Brüssel. Nur
wir, wir rennen immer noch brav hinter den gesellschaftszerstörenden
Gesetzen her. Wie lange noch?
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