Seiten

Dienstag, 20. Januar 2015

Der Krieg der Währungen

Die Schweiz schockt die Welt mit der Entscheidung ihre Währung freizugeben - und eröffnet damit die nächste Runde in einem brutalen Wettstreit. Es geht längst nicht nur um die Schweiz, sondern um viel mehr.


Es dauert nur wenige Minuten. Am Donnerstagmorgen, Punkt 10.29 Uhr, lässt der Schweizer Notenbankpräsident Thomas Jordan ein Kommuniqué verbreiten: Die Schweiz gibt den Kurs des Franken frei. Seit immerhin September 2011 hatte die Notenbank immer eingegriffen, wenn der Euro unter 1,20 Franken zu fallen drohte. Dann hatte sie Wertpapiere in Euro gegen Franken gekauft (vor allem deutsche Staatsanleihen) und so den Euro künstlich gestützt und den Franken geschwächt. Damit sollte jetzt Schluss sein.
Innerhalb kürzester Zeit schnellte der Frankenkurs nach oben - und der Eurokurs rauschte in den Keller. Mit einer Wucht, dass Beobachtern Hören und Sehen verging. Plötzlich war ein Euro nur noch 0,78 Franken wert, ein Kurssturz um mehr als 30 Prozent. Später pendelte sich der Franken bei etwa einem Euro ein. „So etwas passiert nur einmal in 20 Jahren“, hebt Keith Pilbeam hervor, Finanzprofessor in London. Viele Menschen in der Schweiz, aber auch hierzulande waren weniger begeistert: Innerhalb weniger Minuten wurde an der Börse in Zürich Geld im Wert der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes in einem Quartal verbrannt.
Infografik / Herbe Verluste für den Euro
Es geht aber bei alledem längst nicht nur um die Schweiz, sondern um viel mehr: Auf einmal ist ein Wort in der Welt, das auch alle anderen Europäer und selbst die Amerikaner aufschrecken lässt. Könnte es sein, dass die Schweizer Aktion nur der Auftakt zu einem „Währungskrieg“, zu einem Kräftemessen der großen Weltwährungen Euro und Dollar ist?

Ganz anders als die amerikanische Fed

Doch beginnen wir von vorn: Warum geht die Schweizer Zentralbank einen solchen Schritt ohne jede Ankündigung? Selbst die Schweizer Regierung war überrascht und ließ verschnupft mitteilen, man habe „den Schritt zur Kenntnis genommen“.
Wie anders hatten da doch die Amerikaner schon das ganze vergangene Jahr über immer wieder nach außen dringen lassen, dass sie größere Änderungen in der Geldpolitik planten - nämlich ein Ende der Anleihekäufe und eine Zinserhöhung. Fast nervte die amerikanische Notenbank Fed unter ihren Chefs Ben Bernanke und Janet Yellen mit ihren mehr oder minder geheimnisvollen Ankündigungen zu diesem „Tapering“. Und jetzt das: Die Schweizer koppeln ihre Währung ganz vom Euro ab - und lassen vorher kein Sterbenswörtchen nach außen dringen.
Schweizer Nationalbankpräsident Thomas Jordan
Wenig glaubhaft: Die Erklärung des Schweizer Notenbankpräsidenten Thomas Jordan für die Aufwertung des Franken überzeugt niemanden.

Die Begründung, die Notenbankchef Jordan gab, überzeugte weder Börsianer noch Ökonomen. Er argumentierte, es sei schlicht nicht mehr notwendig gewesen, den Franken künstlich niedrig zu halten, weil es keinen solchen Aufwertungsdruck mehr gebe. Als die Notenbank die Stützungskäufe einführte, auf dem Höhepunkt der Euro-Krise, da wollten so viele Anleger aus dem Euroraum ihr Geld in die Schweiz bringen, dass die steigende Nachfrage nach Franken den Kurs in die Höhe trieb. Die Notenbank wollte vermeiden, dass die Exporte der Schweiz - von Maschinenteilen über Uhren bis zur Schokolade - dadurch zu teuer würden.

Video: Schweizer Ansturm auf deutsche Geschäfte
http://www.faz.net/-gv6-7yqxo



Experten glauben nicht an Zufall

Aber fließt jetzt kein Geld mehr vom Euroraum in die Schweiz, wie Jordan offenbar glauben machen möchte? Ist die Euro-Krise dermaßen überwunden, dass die Kursgrenze des Franken schlicht überflüssig wurde? Dafür spricht nichts. Im Gegenteil. Andreas Höfert, der Chefökonom der Schweizer Großbank UBS, sagt: Er glaube kaum, dass es Zufall sei, dass die Notenbank gerade in dieser Woche diesen Schritt gehe. Kommende Woche will schließlich die Europäische Zentralbank darüber entscheiden, ob sie in großem Stil Staatsanleihen kauft. Und Griechenland wählt - mit ungewissem Ausgang auch für die Zukunft des Euro. Beides könnte den Eurokurs, der seit längerem schwächer geworden ist, weiter nach unten ziehen.
Wenn die Schweizer Notenbank ihr bisheriges Spiel weiter betrieben hätte, wäre das womöglich teuer geworden. Zwar kann die Notenbank im Prinzip jede beliebige Menge an Franken drucken und dafür Euro aufkaufen - aber eine extreme Ausweitung der Geldmenge ist nicht ungefährlich. Sie kann zur Bildung von Finanzblasen führen und hätte auch wohl nicht die uneingeschränkte Zustimmung der Bevölkerung in der Schweiz. „Die Schweiz sagt nein zur EZB-Politik“, formuliert es Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank.

Wenn alle Staaten ihre Währungen abwerten droht der Kollaps

Immerhin will EZB-Präsident Mario Draghi rund 500 Milliarden Euro in Staatsanleihen investieren. Er setzt das Geld zwar nicht ausdrücklich mit dem Ziel ein, den Wechselkurs zu drücken. Aber die EZB nimmt das als angenehmen Nebeneffekt mit in Kauf. Schließlich hat Draghi auch versucht, den Eurokurs durch Worte zu schwächen. Dieses „Herunterreden“ wird zwar offiziell nicht Wechselkurspolitik genannt - tatsächlich aber ist es natürlich nichts anderes.
Der Mechanismus geht so: Weil die Investoren an den Finanzmärkten künftig eine lockerere Geldpolitik erwarten, sinkt der Wechselkurs. Exporte werden billiger, Importe teurer. Dann fällt es beispielsweise den Krisenländern in Südeuropa leichter, ihre Waren auf den Weltmärkten loszuwerden. Das kann kurzfristig der Konjunktur helfen - und die Krise lindern.
Das Problem dabei: Wenn alle Staaten so vorgehen und ihre Exportwirtschaft fördern, indem sie ihre Währung abwerten lassen, funktioniert das Ganze nicht mehr. Wenn alle Staaten ihre Währung weicher machen, um Vorteile im Export zu haben, hat man am Ende nur weiche Währungen - und keinen Vorteil mehr. Richtig dramatisch wurde ein solcher Abwertungswettlauf in der Zeit zwischen den Weltkriegen - das ist bis heute ein abschreckendes Beispiel.

Was macht Amerika?

Michael Hüther, der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, hat deshalb schon im Oktober vor einem solchen, bewusst herbeigeführten Abwertungswettlauf gewarnt - einem „Währungskrieg“. Schließlich haben auch die Japaner den Yen künstlich geschwächt. Am bemerkenswertesten aber ist die Talfahrt des Euro gegenüber dem Dollar und gegenüber den anderen wichtigen Währungen. Die Schweizer dagegen machen da jetzt nicht mehr mit. Sie kapitulieren, weil sie schlicht zu klein sind. Dafür zahlen sie einen Preis. Ihre Exporte werden teurer, und die Touristen kommen vielleicht nicht mehr so zahlreich.
Mehr zum Thema







Bleibt die Frage: Was macht Amerika? Wenn der Kurs des Euro weiter sinkt, wird der Dollar immer stärker. Das könnte auch der amerikanischen Wirtschaft bei ihren Exporten zu schaffen machen. Dann könnten die Amerikaner irgendwann zurückschlagen und ihrerseits die Währung schwächen, etwa indem sie den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung nach hinten verschieben. Die Gefahr sieht IW-Chef Hüther allerdings in Amerika weniger als in Europa: „Amerika richtet seine Geldpolitik am Land selbst aus - nicht am Wettbewerb auf den Exportmärkten.“
Soll man sein Geld aus der Schweiz holen?
Wer Geld in Franken auf einem Konto in der Schweiz hat, kann sich freuen: Für ihn waren die Freigabe des Franken und die Aufwertung der Währung ein gutes Geschäft. Um fast ein Fünftel legte der Franken gegenüber dem Euro zu. Entsprechend vermehrte sich der Wert des Vermögens, wenn man es jetzt in Euro tauscht. Soll man das Geld nun also umwechseln und zurückholen - bevor der Kurs des Franken womöglich irgendwann wieder sinkt?
Experten raten dazu, abzuwarten. Zwar weiß keiner genau, wie sich der Franken-Kurs weiter entwickeln wird. Christian Apelt, Devisenexperte der Helaba, prognostiziert aber: „Die Ankündigung eines Anleihekaufprogramms der EZB dürfte den Euro auch gegenüber dem Franken kurzfristig noch einmal unter Druck setzen.“

Ist Urlaub in der Schweiz noch bezahlbar?

Um fast ein Fünftel wird der Urlaub in der Schweiz jetzt teurer - ganz schön happig. Ein Schnitzel in einem ganz normalen Lokal in Zürich kostet jetzt ungefähr 28 Euro - rund vier Euro mehr als zu Beginn der vergangenen Woche. Und für einen Tagesskipass in Zermatt blättern Skifahrer jetzt 79 Euro hin. Doch echte Fans bleiben der Schweiz treu. Wer schon einen Urlaub gebucht hat, aber das Geld fürs Hotel noch nicht überwiesen hat, für den stellt sich die Frage: Soll man die Rechnung jetzt sofort bezahlen - oder lieber warten?
Christian Apelt, Devisenmarktexperte der Helaba, rät: „Das für die nahe Zukunft gebuchte Hotel in der Schweiz sollte am besten sofort bezahlt werden - wenn man denn schon nicht nach Österreich ausweichen kann.“ gewusst wie


http://www.faz.net/-gv6-7ypd5

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen