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Dienstag, 30. September 2014

Illuminatenorden


Der Professor für Kirchenrecht und praktische Philosophie an der Universität Ingolstadt, Adam Weishaupt (1748–1830), gründete am 1. Mai 1776 mit zwei seiner Studenten den Bund der Perfektibilisten (von lateinisch perfectibilis: zur Vervollkommnung befähigt). Als Symbol des Bundes wählte Weishaupt die Eule der Minerva, der römischen Göttin der Weisheit. Hintergrund war das intellektuelle Klima an der Universität, das fast vollständig von ehemaligen Jesuiten beherrscht wurde, deren Orden 1773 aufgehoben worden war. Der erst achtundzwanzigjährige Weishaupt war der einzige Professor in Ingolstadt ohne jesuitische Vergangenheit und dementsprechend isoliert im Lehrkörper, was auch an seiner Begeisterung für die Ideen der Aufklärung lag. Um seinen Schülern Schutz vor jesuitischen Intrigen zu bieten, die er allerorten vermutete, vor allem aber, um ihnen Zugang zu zeitgenössischer kirchenkritischer Literatur zu gewähren, gründete er den geheimen Weisheitsbund, der in seiner Anfangszeit nicht mehr als ein antiklerikaler Lesezirkel von höchstens zwanzig Mitgliedern war. Darüber hinaus sah Weishaupt im Orden der Gold- und Rosenkreuzer, einem mystisch-spiritualistischen Orden innerhalb der Freimaurerei, ein immer stärker werdendes Übel, das es zu bekämpfen galt. Weishaupt berichtete über den Anlass der Gründung seiner Gesellschaft in seiner Schrift Pythagoras oder Betrachtungen über die geheime Welt- und Regierungskunst.

„Zwei Umstände aber gaben vollens Ausschlag. Zu eben dieser Zeit 1776 hatte ein Offizier, Namens Ecker, in Burghausen eine Loge errichtet, welche auf Alchemie ging und sich gewaltig zu verbreiten anfing. Ein Mitglied dieser Loge kam nach Ingolstadt, um dort zu werben und die Fähigsten unter den Studierenden auszuheben. Seine Auswahl fiel zum Unglück gerade auf Diejenigen, auf welche auch ich mein Auge geworfen hatte. Der Gedanke, so hoffnungsvolle Jünglinge auf diese Art verloren zu haben, sich auch überdies mit der verderblichen Seuche, mit dem Hang zur Goldmacherei und ähnlichen Torheiten angesteckt zu sehen, war für mich quälend und unterträglich. Ich ging darüber mit einem jungen Mann, auf welchen ich das meiste Vertrauen gesetzt hatte, zu Rate. Dieser ermunterte mich, meinen Einfluß auf die Studierenden zu benutzen und diesem Unwesen durch ein wirksames Gegenmittel, durch Errichtung einer Gesellschaft, so viel als möglich zu steuern […].“

Einen ersten Aufschwung nahm der Orden, als er 1778 von Weishaupts ehemaligem Schüler, dem späteren Regierungspräsidenten der Pfalz Franz Xaver von Zwack reorganisiert wurde. Weishaupt schlug als neuen Namen Bienenorden vor, weil ihm vorschwebte, dass die Mitglieder unter der Leitung einer Bienenkönigin den Nektar der Weisheit sammeln sollten, doch entschied man sich für Bund der Illuminaten und schließlich Illuminatenorden. Aus dem Weisheitsbund wurde nun ein geheimer Orden, der die jesuitischen Spuren seines organisatorischen Vorbilds nicht verleugnen konnte.

Adam Weishaupt, Gründer des Illuminatenordens

Krise und Verbot
In der Folge wuchs die Mitgliederzahl rasch an, doch dieser Erfolg war gleichzeitig der Anfang vom Ende: Knigge sah seine Leistungen in der Verbreitung des Ordens nicht honoriert und drohte in Briefen, er werde dessen Geheimnisse an Jesuiten und Rosenkreuzer verraten. Damit verstärkte er aber nur das Misstrauen Weishaupts, dem es erhebliche Sorgen bereitete, dass mit den Prinzen Karl von Hessen und Ferdinand von Braunschweig sowie den Herzögen Ernst von Sachsen-Gotha und Carl August von Sachsen-Weimar Vertreter der absolutistischen Obrigkeit von Knigge und dem ebenfalls sehr umtriebigen Bode in den Orden gebracht worden waren. Dieses Misstrauen war nicht unberechtigt, denn Carl August und sein Geheimrat Goethe waren nur beigetreten, um den Orden auszuforschen.

In der Folge spitzte sich der Dissens zwischen Weishaupt und Knigge derart zu, dass der Orden zu zerbrechen drohte. Im Februar 1784 wurde daher ein „Congress“ genanntes Schiedsgericht in Weimar einberufen. Für Knigge überraschend urteilte der Congress, an dem unter anderem auch Goethe, Johann Gottfried Herder und Herzog Ernst von Sachsen-Gotha beteiligt waren, es müsse ein gänzlich neuer Areopag gebildet werden. Es sollten beide führenden Persönlichkeiten des Ordens ihre Machtpositionen aufgeben. Dies schien ein tragbarer Kompromiss zu sein. Da aber absehbar war, dass der Ordensgründer auch ohne formalen Vorsitz im Areopag weiterhin einflussreich bleiben würde, bedeutete es eine klare Niederlage für Knigge. Es wurde Stillschweigen und Rückgabe aller Papiere vereinbart und am 1. Juli 1784 verließ Knigge den Illuminatenorden. Er wandte sich in der Folgezeit von der „Mode-Thorheit“ ab, die Welt durch geheime Gesellschaften verbessern zu wollen. Weishaupt seinerseits gab die Leitung des Ordens an Johann Martin Graf zu Stolberg-Roßla ab.

Inmitten der internen Streitereien hatten Geheimbünde die Aufmerksamkeit der bayerischen Obrigkeit auf sich gezogen. Ihr waren die Ziele von aufklärerisch gesinnten Geheimorden suspekt, richteten sie sich doch darauf, die überkommene Ordnung zu verändern, ja durch Unterwanderung der öffentlichen Ämter einen "Vernunftstaat" zu errichten. Konsequent wurden am 22. Juni 1784 alle „Communitäten, Gesellschaften und Verbindungen“ durch den bayerischen Kurfürsten Karl Theodor verboten, die ohne seine „landesherrliche Bestätigung“ gegründet worden waren.

Am 2. März 1785 folgte auf Druck von Pater Frank, Kanzler Freiherr von Kreitmayer, dem Rosenkreuzer Freiherr von Törring und anderen Hofleuten ein weiteres Edikt, das Illuminaten und Freimaurer diesmal beim Namen nannte und als landesverräterisch und religionsfeindlich verbot. Es wurden bei Hausdurchsuchungen verschiedene Papiere des Ordens beschlagnahmt, die weitere Indizien für seine radikalen Ziele erbrachten. Papiere, die bei einem verstorbenen Kurier gefunden wurden, boten Aufschluss über die Namen einiger Mitglieder. Im selben Jahr erklärte auch Papst Pius VI. in zwei Briefen (vom 18. Juni und 12. November) an den Bischof von Freising die Mitgliedschaft im Orden als unvereinbar mit dem katholischen Glauben.

Die sich an die Verbote von 1784/85 anschließenden Verfolgungen der Ordensmitglieder hielten sich im Rahmen. Es kam zu Hausdurchsuchungen und Konfiskationen; einige Hofräte und Offiziere verloren ihre Anstellung, einige Ordensmitglieder wurden des Landes verwiesen, doch eingesperrt wurde keiner.[3] Weishaupt selbst, von dem man gar nicht wusste, dass er der Gründer des Ordens war, wurde verdächtigt, floh aber, als er den katholischen Glauben bekennen sollte, zuerst in die Freie Reichsstadt Regensburg, 1787 dann weiter nach Gotha, wo ihm Herzog Ernst eine Sinekure als Hofrat beschaffte.

Im April 1785 hatte Graf Stolberg-Roßla den Orden offiziell für suspendiert – also für einstweilig aufgehoben – erklärt. Diese Tatsache nutzte Bode dazu, den Bund weiter am Leben zu erhalten[4]. Er versuchte mit der Weimarer Minervalkirche und dem Orden der unsichtbaren Freunde Nachfolgeorganisationen ins Leben zu rufen, musste aber in dem scharf anti-illuminatischen Klima der Revolutionsjahre diese Bemühungen 1790 einstellen. In der Forschung wird allgemein angenommen, dass die Zerschlagung des Illuminatenordens erfolgreich war.

Am 16. August 1787 folgte ein drittes, noch schärferes Verbotsedikt, das die Rekrutierung von Mitgliedern für Freimaurer und Illuminaten gar unter Todesstrafe stellte. Es hielten sich also in Kreisen der Obrigkeit Gerüchte um ein Fortbestehen der Illuminati.

Die Veröffentlichungen lösten eine erste Illuminatenhysterie aus, überall witterte man nun die Umtriebe des radikalaufklärerischen Geheimbunds. Eine zweite, deutlich heftigere Welle dieser Hysterie setzte nach der Französischen Revolution ein, als die Furcht vor den Jakobinern mit der älteren vor den Illuminaten zu einer einzigen Angstphantasie verschmolz. In dieser Stimmung ließ der bayerische Staatsminister Montgelas – wiewohl selber ehemaliger Illuminat – gleich bei seinem Regierungsantritt 1799 und erneut 1804 alle geheimen Gesellschaften verbieten. Wie stark die deutsche Öffentlichkeit in den Jahren um die Französische Revolution von mysteriös-unheimlichen Geheim- und Initiationsgesellschaften fasziniert war, lässt sich an diversen literarischen Werken der Zeit ablesen, von Schillers Der Geisterseher (1787/89) über Jean Pauls Die unsichtbare Loge (1793) bis zu Goethes Der Groß-Cophta (1792) und der geheimnisvollen Turmgesellschaft in Wilhelm Meisters Lehrjahre (1796).

Kurfürst Karl Theodor (hier ein Porträt aus dem Jahr 1763) verbot den Orden in mehreren Edikten 1784/85

Mythen und Verschwörungstheorien
Bis heute wird in zahlreichen Verschwörungstheorien kolportiert, die Illuminaten hätten nach ihrem Verbot weiter bestanden und seien verantwortlich für eine Vielzahl von Erscheinungen, die von den Verbreitern solcher Mythen als unerfreulich beurteilt werden.

Einer recht großen Popularität erfreuen sich Verschwörungstheorien, nach denen die Illuminaten die Entstehung der USA beeinflusst haben sollen. Diese sind schon aufgrund der zeitlichen Abfolge (der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg begann bereits 1775, also vor der Gründung des Ordens) als unhaltbar zu erkennen.

Nicht zuletzt wurden die Illuminaten für die Französische Revolution verantwortlich gemacht. Dieser folgenreiche Verdacht wurde zuerst 1791 von dem französischen Priester Jacques François Lefranc in seinem Buch Le voile levé pour les curieux ou les secrets de la Révolution révéles à l’aide de la franc-Maçonnerie formuliert (übersetzt etwa: Der Schleier gelüftet für die Neugierigen, oder die aufgedeckten Geheimnisse der Revolution über die Hilfe der Freimaurerei). Ihre weite Verbreitung verdankt sie aber zwei anderen Autoren, die kurz danach umfangreiche Werke über die Ursachen der Französischen Revolution verfassten: Der französische ehemalige Jesuit Abbé Barruel und der schottische Gelehrte John Robison versuchten unabhängig voneinander nachzuweisen, dass nicht etwa die andauernde Unterdrückung des Dritten Standes, die Verbreitung der Ideale der Aufklärung, die Missernte des Vorjahres und das schlechte Krisenmanagement König Ludwigs XVI. die Revolution ausgelöst hätten, sondern die Illuminaten. Hierfür führten sie vor allem drei Belege an:

Erstens seien fast alle bedeutenden Führer der Revolutionäre Freimaurer. Die umstandslose Gleichsetzung von Freimaurern und Illuminaten ist aber, wie oben erwähnt, falsch.
Zweitens existierte in Frankreich kurz vor der Revolution tatsächlich eine Freimaurerloge, die sich – ganz ähnlich wie Weishaupts Orden – „Les Illuminés“ nannte, „die Erleuchteten“. Dass diese Gruppe aber sehr klein und wenig einflussreich war, störte ebenso wenig wie die Tatsache, dass die französischen „Illuminés“ eher einer mystischen Richtung anhingen und mit der Radikalaufklärung à la Knigge und Weishaupt nichts im Sinn hatten.
Drittens war bekannt geworden, dass Johann Christoph Bode 1787 nach Paris gereist war. Zweck seines Aufenthalts, der nur vom 24. Juni bis zum 17. August währte, war aber keineswegs die Auslösung der Revolution: Bode war vielmehr zu einem Freimaurerkonvent eingeladen, der aber bei seiner Ankunft schon beendet war.

Der These, hinter der Französischen Revolution stünden die Illuminaten, fehlt jede Grundlage. Dennoch wurden Barruels und Robisons Werke große Erfolge. Im deutschsprachigen Raum verbreitete vor allem die kurzlebige konservative Zeitschrift Eudämonia (1795–1798) diese Theorie.[8] Bis heute haben solche Verschwörungsszenarien ihre Faszination für viele rechtsradikale Publizisten und Gruppierungen nicht verloren.[9] Zu nennen sind hier zum Beispiel Nesta Webster, eine bekannte englische Faschistin und Verschwörungstheoretikerin der zwanziger Jahre, die amerikanische John Birch Society oder der amerikanische christliche Prediger Pat Robertson. Auch die Obsession, mit der antisemitische Verschwörungstheoretiker wie Des Griffin und Jan Udo Holey („Jan van Helsing“) immer neue Spuren des Ordens imaginieren, zeigt den engen Zusammenhang zwischen Rechtsradikalismus und anti-illuminatischer Paranoia.

Diese zählebigen Verschwörungstheorien erhielten unter anderem dadurch Nahrung, dass einige okkultistische oder theosophische Gruppen und Grüppchen versuchten, sich selbst als die angeblich jahrzehntelang im Untergrund verschwundenen Illuminaten zu stilisieren: 1896 gründete zum Beispiel der Historiker Leopold Engel den Weltbund der Illuminaten, der die Nachfolge von Weishaupts Orden beanspruchte. 1929 wurde dieser eingetragene Verein wieder aus dem Berliner Vereinsregister gelöscht. Auch der 1912 entstandene Ordo Templi Orientis oder die 1978 gegründeten Illuminaten von Thanateros versuchen, sich in eine Traditionslinie zu den bayrischen Illuminaten zu stellen, doch haben sie mit dem aufklärerisch-rationalistischen Orden Weishaupts, Bodes und Knigges nichts zu tun.


Siegel der Vereinigten Staaten auf der Ein-Dollar-Banknote

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