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Dienstag, 30. April 2013

Selbstanzeige: Der Schwindel vom »Sonderfall«


Gerhard Wisnewski
Die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung ist ins Visier der Politik-Eliten gerückt. Um Steuerhinterzieher einzuschüchtern und für Banken, Kriegs- und Euro-Abenteuer noch mehr Geld einzutreiben, wollen sie die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige nun abschaffen – wie immer sekundiert von eifrigen Systemjournalisten. Angeblich sei die Strafmilderung bzw. -befreiung bei Selbstanzeige ein »Sonderrecht für Reiche«. Fakten spielen dabei, wie immer, kaum eine Rolle; falscher gehts nämlich kaum noch.


»Verbrechen werden bestraft – so sieht es das Strafrecht vor. Nur bei Steuerstraftaten gibt es eine Ausnahme«, will uns die Linksfraktion im Bundestag einreden. »Hier können sich Betuchte von der Strafe freikaufen, unabhängig davon, wie hoch sie sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichert haben. Ermöglicht wird dies durch die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige,
gegebenenfalls ergänzt durch eine Geldzahlung für den Verzicht auf Strafverfolgung. DIE LINKE fordert die Abschaffung dieses Sonderrechts für Reiche.«

Schon die Ideologie hinter dieser Agitation ist interessant: Wer Geld verdient, verdient aus Sicht der Linken also kein Geld, sondern »bereichert sich auf Kosten der Allgemeinheit«. Vermutlich so, wie der Bayern-Präsident Uli Hoeneß, der die Bundesliga in ein Milliardenbusiness verwandelte, in dem nicht nur Milliardengewinne, sondern auch Milliarden für den Fiskus generiert werden, von denen im Übrigen auch die Diäten der Linken bezahlt werden. Vermutlich würden sie die nicht ablehnen.


Steuermaschine Bundesliga

»Der Profifußball in Deutschland boomt und schreibt wieder Rekordzahlen«, schrieb zum Beispiel kürzlich das Handelsblatt. »In der vergangenen Saison erwirtschafteten die 18 Bundesligaclubs mehr als zwei Milliarden Euro. Das nützt auch dem Fiskus und dem Arbeitsmarkt.« Während die Clubs und ihre Tochtergesellschaften demnach 16.000 Menschen beschäftigen können, habe der Lizenzfußball in der vergangenen Saison fast 800 Millionen Euro Steuern und Abgaben bezahlt – also fast eine Milliarde Euro. Hoeneß war und ist der Impresario und Vorreiter der »Wachstumsbranche Bundesliga«. So führte Hoeneß, »der sich schon in den 1970er Jahren vom professionellen Merchandising in den USA inspirieren ließ, das zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch weitgehend unbekannte Instrument ein und bescherte dem Verein Millionen an zusätzlichen Einnahmen« (Wikipedia).

Kurz: Er entwickelte die Produkte Fußball und Bundesliga wirtschaftlich weiter und schuf damit einen gigantischen Markt. Während die Bundesligavereine sportlich gegeneinander kämpfen, sitzen sie wirtschaftlich auf gewisse Weise in einem Boot, dessen Kapitän bzw. Pfadfinder Uli Hoeneß heißt. Hoeneß machte den FC Bayern auch zu einem wichtigen Wirtschafts- und Imagefaktor für Bayern. Zwischen 2001 und 2005 stellte der Verein zusammen mit dem TSV 1860 München im Norden Münchens eines der modernsten Fußballstadien der Welt hin, ein Bauprojekt, bei dem ebenfalls zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen wurden und Millionen an Steuern flossen. Überdies ein Bauprojekt, das nicht nur fertig wurde, sondern auch benutzbar ist.

Ein Fremdkörper im Rechtssystem?

Das ist eben der Unterschied zwischen »sich an der Allgemeinheit bereichern« und »die Allgemeinheit bereichern«. Aber das ist nicht der eigentliche Punkt. Der eigentliche Punkt ist vielmehr, dass Politiker und Journalisten die »strafbefreiende Selbstanzeige« mit Gewalt als Fremdkörper in unserem Rechtssystem darzustellen versuchen. So zum Beispiel SZ-Redakteur Heribert Prantl am 28. April 2013 bei Günther Jauch: »Der einzige Straftäter im ganzen Strafrecht, der sich noch immer rauswinden kann im ganzen Strafrecht, ist der Steuerbetrüger, der Steuerhinterzieher.« Auch WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn nannte diese Möglichkeit (der strafbefreienden Selbstanzeige) im ARD Presseclub vom 28. April 2013 etwas, das das Strafrecht sonst »nicht zumisst«. Während in derselben Sendung Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin der taz, dafür plädierte, die Selbstanzeige abzuschaffen und die Steuerflucht als das zu behandeln, »was sie ist, nämlich eine Straftat.

Das ist praktisch Diebstahl am Staat«. Diese Äußerungen sind ein gutes Beispiel dafür, wie es bei Journalisten in Sachen »Selbstanzeige« durcheinander geht. Punkt 1: Das Strafgesetzbuch bzw. die Abgabenordnung kennen überhaupt keinen Straftatbestand »Steuerflucht«. Vielmehr sind viele Formen der so genannten »Steuerflucht« leider ganz legal. Zwar wäre es schön, wenn Firmen, die ihre Produktionsstätten bzw. Firmensitze ins Ausland verlagern, dafür nicht mit Steuerersparnissen belohnt würden. Im Moment ist es aber so.

Der Unterschied besteht darin, dass bei der Steuerflucht Steueransprüche des Staates gar nicht erst entstehen – während bei der Steuerhinterziehung entstandene Steueransprüche nicht befriedigt werden, also tatsächlich fällige Steuern »hinterzogen« werden. Das also meint Herrmann vermutlich, wenn sie von »Diebstahl am Staat« redet. Und, so die taz-»Wirtschaftsexpertin« weiter, »Diebstahl kann man ja auch nicht einfach dadurch wieder gutmachen, dass man sich mal selbst anzeigt, das ist nicht strafmindernd...« Punkt 2: Das ist falsch.

Wer nur ein bisschen nachdenkt, wird von selber darauf kommen, dass all diese Behauptungen von der Einmaligkeit der strafbefreienden Selbstanzeige so nicht richtig sind. Vielmehr ist die strafmildernde bzw. -befreiende Selbstanzeige eben kein »Sonderrecht für Reiche« oder nur für Steuerhinterzieher, sondern für jeden Straftäter. Denn natürlich wird niemand daran gehindert, zur nächsten Polizeistation zu gehen und eine Straftat anzuzeigen und zu gestehen. Und je klarer die Distanzierung von der eigenen Straftat ausfällt, desto strafmildernder wird dies von den Gerichten berücksichtigt. Die Gerichte erkennen in allen Bereichen an,
1. wenn sich Straftäter freiwillig selbst anzeigen, den Straftatbestand offen legen und ein Geständnis ablegen,

2. und darüber hinaus (soweit möglich) Wiedergutmachung betreiben und den entstandenen Schaden ersetzen, was auch eine wichtige Voraussetzung für die Strafbefreiung bei selbst angezeigter Steuerhinterziehung ist.

Strafbefreiung für Geldfälscher und Bombenleger

Auch das Gesetz (Paragraph 320 Strafgesetzbuch, »Tätige Reue«) kennt eine ganze Liste von Straftaten, bei denen das Gericht die »angedrohte Strafe nach seinem Ermessen mildern« oder sogar »von Strafe nach diesen Vorschriften absehen« kann, wenn der Täter »freiwillig die Gefahr abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht«. Eine weitere Liste enthält Paragraf 314a StGB. Danach kann das Gericht zum Beispiel in Fällen von gemeingefährlicher Vergiftung und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion die Strafe mildern oder sogar davon absehen, wenn der Täter von der Tat Abstand nimmt. Und auch ein Geldfälscher wird nach § 149 Strafgesetzbuch nicht bestraft, wenn er freiwillig

1. «die Ausführung der vorbereiteten Tat aufgibt und eine von ihm verursachte Gefahr, dass andere die Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder die Vollendung der Tat verhindert und

2. die Fälschungsmittel, soweit sie noch vorhanden und zur Fälschung brauchbar sind, vernichtet, unbrauchbar macht, ihr Vorhandensein einer Behörde anzeigt oder sie dort abliefert«.

Abzocker als Moralapostel

Die strafmildernde oder -befreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung ist also höchstens formal ein explizit festgelegter Sonderfall (§ 371 Abgabenordnung), nicht aber praktisch. Gesetz und Rechtsprechung kennen den Gedanken der Strafbefreiung bzw.  milderung in allen Bereichen – auch die Abstufung zwischen freiwillig und nicht freiwillig. Denn natürlich ist es günstiger für einen Beschuldigten, wenn er eine Straftat gestanden hat, von der die Behörden noch gar nichts wussten, als eine, bei der bereits eifrig ermittelt wird und der Beschuldigte ohnehin in der Falle sitzt.

Das heißt aber auch, dass sich zumindest die Strafmilderung bei geständigen und reuigen Steuerhinterziehern gar nicht abschaffen lässt, da sie ein integraler Bestandteil unseres Rechtssystems ist und im Ermessen der Gerichte liegt. Sollte der Paragraf 371 der Abgabenordnung wegfallen, bleibt immer noch die Strafbefreiung bzw. -milderung vor Gericht. Trotzdem ist die Diskussion um Steuerhinterziehung und Selbstanzeige nicht umsonst. Interessant daran ist, dass sie die Verhältnisse verzerrt. Denn plötzlich sitzen Abzocker und Bankenfreunde wie SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück als Moralapostel auf dem ganz hohen Ross, um über Bürger zu urteilen (bei Jauch am 28. April).

Ohne ihre eigene Politik zu hinterfragen, verlangen sie dreist auch noch den letzten Pfennig von den Steuerzahlern. Vom Afghanistankrieg, Milliardenbürgschaften für Krisenländer, Fehlplanungen, Kostenexplosionen und Schildbürgerstreichen wie dem Berliner Flughafen oder der CO2-Verpressung im Boden redet dabei niemand. Deshalb müssen wir uns dem Gedanken nähern, dass, wenn Steuerhinterziehung Diebstahl am Staat sein soll, das auch für Steuerverschwendung oder verfassungswidrige Steuerverwendung gelten muss. Zwischen Politikern und Bürgern muss endlich Waffengleichheit her.

Quelle: 
www.kopp-verlag.de

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