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Montag, 26. November 2012
Barack Obama und die US-amerikanische Israellobby
Quelle: Giordano Bruno
Zu Barack Obama hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kein gutes Verhältnis. Er sah sich jedoch gezwungen, dem US-Präsidenten für seinen Einsatz um einen Waffenstillstand zwischen Israel und Palästina zu danken. Typisch für das amerikanisch-israelische Verhältnis, meint der Historiker Klaus Hödl.
Eine Analyse des Wahlverhaltens der amerikanischen JüdInnen bei der letzten Präsidentschaftswahl macht deutlich, dass beinahe 70 Prozent ihre Stimme Barack Obama gegeben haben. Obwohl er im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren knapp zehn Prozent an jüdischen WählerInnen verloren hat, konnte er sich immer noch auf die überwiegende Mehrheit von ihnen verlassen.
Dies verwundert nicht wirklich, denn seit Franklin Roosevelts Präsidentschaft (1933-1945) wählt der überwiegende Teil der amerikanischen JüdInnen demokratisch. Dieses Wahlverhalten kontrastiert jedoch mit der unverhohlenen Sympathie der sogenannten Israellobby für die republikanische Partei, auch mit der hergebrachten Vorstellung, diese Organisationen würden die amerikanische Politik nachhaltig bestimmen. Darf man daraus schließen, dass sie gar nicht so mächtig sind, wie allgemein angenommen wird?
Nach Ausbruch des Irak-Krieges veröffentlichten die beiden Politikwissenschaftler John Mearsheimer und Stephen Walt ein Buch, in dem sie einen solchen Einfluss durch eine Vielzahl von Belegen nachzuzeichnen versuchten und damit den Vorwurf, dass es sich dabei um eine Verschwörungstheorie handle, widerlegen wollten.
Obwohl die Ausführungen des Buches in der Fachwelt als weit übertrieben gelten, haben die beiden Autoren doch einen Punkt angeschnitten, der auch von ihren Kritikern nicht geleugnet wird bzw. werden kann: Dass es im amerikanischen Kongress kaum Kritiker an der israelischen Politik gibt, wie auch immer sie aussieht.
Unter Barack Obama hat sich die Israellobby noch stärker an die republikanische Partei gebunden, weil der Präsident nicht allein sie anhört, sondern auch die Meinung anderer Verbände einholt. In diesem Zusammenhang ist vor allem J-Street zu nennen. Ihm wurde das vorschnell als eine Israel-kritische Haltung ausgelegt. In Wirklichkeit deckt sich sein Vorgehen mit seinem Verständnis von Judentum, das er sich über Jahre hinweg durch enge Kontakte zu jüdischen Intellektuellen und Vordenkern angeeignet hatte.
Unter den zentralen Gestalten, die ihn stark beeinflusst haben, befindet sich Arnold Wolf, ein Rabbiner in Chicago. Er war für sein ausgesprochen progressives Gedankengut weithin bekannt. So hatte er schon früh Martin Luther King Jr. zu einem Vortrag in seiner Synagoge in Chicago eingeladen.
Eines der Mitglieder dieser Synagogengemeinde war Martha Minow, die wichtigste Mentorin von Obama während seines Studiums an der Harvard Law School. Sie verhalf ihm auch zu seinem ersten Job. Er selbst sollte später über Martha Minow sagen, dass sie eine Lehrerin gewesen sei, die sein Leben verändert habe. Sie ist übrigens auch bei J-Street aktiv.
Wolf und Minow gehörten zu einem Netzwerk, in dem Obama lange Zeit eingebettet war und das ihm ein liberales und humanistisch geprägtes Judentum vermittelte. Damit hat er sich in die Herzen der Mehrheit der amerikanischen Juden eingeschrieben, auch wenn die einflussreichsten jüdischen Organisationen in den USA den Kandidaten der Republikaner mehr oder weniger offen unterstützten.
Die Israellobby in den USA ist mehrstimmig. Deswegen ist es falsch, von der Lobby zu sprechen. Es gibt in ihr unterschiedliche Ansichten darüber, wie die Politik Israels aussehen soll und wann sie sich mit amerikanischen Interessen in Einklang bringen lässt. Und es ist das Verdienst von Barack Obama, des 'jüdischsten' aller bisherigen amerikanischen Präsidenten, dieser Pluralität zum Durchbruch verholfen zu haben.
Quelle: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1930371/
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