Eigentlich sind sie als die mächtigsten Materiefallen des Universums bekannt: die Kollapsare, weit besser bekannt als Schwarze Löcher. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse, die jene finsteren Gebilde paradoxerweise in ein neues Licht rücken.
Sie reißen alles an sich, was in ihre Nähe gerät, verschlingen interstellare Materie und komplette Sterne, die auf Nimmerwiedersehen in ihnen verschwinden, und gelten daher nicht umsonst als die gefräßigsten »Monster« des Universums – die Schwarzen Löcher. Den so treffenden Namen prägte in den 1960er Jahren der berühmte amerikanische Physiker John A. Wheeler. Lange Zeit existierten sie nur in der Theorie, und bis heute sind die kosmischen Materiefallen nicht direkt nachweisbar, was nun einmal in der Natur der Sache liegt. Die Schwerkraftwirkung dieser Gebilde ist so enorm, dass selbst Licht ihrer direkten Umgebung nicht entweichen kann, weshalb sie zunächst als pechschwarz beschrieben wurden. Allerdings konnten Astrophysiker eine ganze Reihe an Nachweismethoden entwickeln und wiederholt Phänomene im All beschreiben, die nur durch die jeweilige Präsenz eines Schwarzen Lochs zu erklären sind.
Was aber sind Schwarze Löcher eigentlich, wie muss man sie sich vorstellen? Vorweg gesagt: Im Detail wird das wohl niemand wirklich können, immerhin aber liefern Theorie und Praxis etliche gute Anhaltspunkte, um sich ein Bild von ihnen zu machen und dabei auch festzustellen, dass diese Objekte trotz ähnlicher Wirkung sogar sehr unterschiedlich beschaffen sein können. Auch entstehen sie nicht allesamt auf die gleiche Weise. Oft aber sind sie das Ergebnis eines stellaren Endkollapses, daher auch der Name »Kollapsar«, wobei der zusammenbrechende Stern schon ziemlich massereich sein muss, um ein so extremes Ende zu nehmen. Liegt die kollabierende Restmasse oberhalb eines Limits, das Astrophysiker als die Oppenheimer-Volkoff-Grenze bezeichnen, dann stürzt die Sternmaterie mit ungebremster Gewalt zum Kern hin, sobald der stellare Atomofen dort endgültig erloschen ist. Nichts kann dem standhalten. Während beim Neutronenstern noch eine dichte Kugelpackung der gleichnamigen Kernteilchen entsteht, sinkt bei so einem Kollapsar alles in die »Singularität« als wahrlich unvorstellbarem Extremzustand der Materie. In einem mit der Ausgangsmasse wachsenden Radius um die Singularität lagert der kugelförmige Ereignishorizont, der die innere Welt des Schwarzen Lochs von der äußeren trennt. Was diese Grenze zum Kollapsar hin überschreitet, verschwindet in der Regel auf Nimmerwiedersehen.
Im Zentrum unserer Galaxis lauert, wie in vielen anderen Milchstraßensystemen auch, bekanntlich ein riesiges Schwarzes Loch mit einer Masse von mehreren Millionen Sonnen. Sterne in unmittelbarer Nachbarschaft rasen mit ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit um dieses Gebilde. Astronomen haben rund 30 Sterne und ihre Bewegung vermessen, die ein deutlicher Beweis für die Existenz jener ganz besonderen gravitativen Quelle ist, genannt Sagittarius A* oder kurz Sgr A*. Das Schwarze Loch verschlingt Sterne oder aufgelöste Sternhaufen. Mit moderner Beobachtungstechnik gelang der Nachweis einer sich auf das Schwarze Loch zu bewegenden Gaswolke, außerdem kreist dort eine Sterngruppe mit einem zweiten Schwarzen Loch in direkter Nachbarschaft. Es gibt mittlerweile Indizien für ein Heer aus Tausenden kleinerer Schwarzer Löcher, die das mächtige Zentralobjekt umkreisen und um sich herum Sternhaufen ansammeln, die sie schließlich ihrem düsteren »Götzen« zuführen – ein spannender Vorgang, bei dem Sgr A* »gefüttert« wird.
Jetzt haben Astrophysiker noch andere Phänomene untersucht. Einige davon können bisher zwangsläufig nur am Computer simuliert werden, da die Beobachtungstechnik noch nicht so weit entwickelt ist, um sie direkt nachweisen zu können. Beobachtbar sind allerdings Sterne, die sich mit extrem hoher Geschwindigkeit durchs All bewegen. Mit Hilfe des zentralen Schwarzen Lochs ließ sich schnell erklären, was sie derart auf Tempo gebracht hat.
Viele Sonnen bilden Doppelsternsysteme. Gelangt so ein Duo in direkte Nähe des supermassiven Kollapsars, kann eine Komponente auf eine Bahn darum gezwungen werden, während die gravitative Wechselwirkung die andere Komponente stark beschleunigt und weit hinaus in den interstellaren Raum schleudert. Diese Sterne erreichen dann Geschwindigkeiten von über einer Million Kilometer pro Stunde. Das Ganze erinnert an die berühmte Gravity-Assist-Methode: Raumsonden werden mittels planetarer Schwerkräfte zu ferneren Welten beschleunigt. So hangelte sich auch die Voyager-2-Sonde seinerzeit in einem jahrelangen, genau vorauskalkulierten Geschicklichkeitsspiel von Jupiter über Saturn weiter zu Uranus und schließlich Neptun.
Die beschleunigten Sterne verlassen nicht nur den Machtbereich des Schwarzen Lochs, sie können sogar aus der Galaxis geschleudert werden. Nun sind die Sterne dabei in der Regel nicht alleine, sondern von Planeten umgeben. Aktuellste Untersuchungen zeigen sogar, dass es wesentlich mehr Planeten als Sterne in unserem Milchstraßensystem geben muss.
Welches Schicksal erleiden dann aber Planeten, die »gefeuerte« Sterne umkreist haben? Das Problem: Im Gegensatz zu den selbst leuchtenden Sternen lassen sich solche dunklen Welten nicht direkt nachweisen, sie hinterlassen keine erkennbaren Spuren in ihrem kosmischen Fahrwasser. Derzeit zumindest fehlt die Technik, sie zu finden. Deshalb muss eben erst einmal simuliert werden, am Computer. Jüngste Berechnungen bestätigen nun die Annahme, dass die betroffenen Planeten unterschiedlichste Schicksale erleiden können, je nach den vorliegenden Bahnverhältnissen. Der neue Kurs kann sie mitten in ihre eigene Sonne führen und verglühen lassen, um sie mit schweren Elementen anzureichern. Manchmal dürften die Kräfte so groß werden, dass es den Planeten regelrecht zerreißt. In anderen Fällen bleibt er vielleicht eng an seinen Heimatstern gebunden, könnte dann sogar eventuell detektiert werden. Dann wieder können entwurzelte Planeten auch als kleine »Appetithappen« fürs Schwarze Loch dienen, wobei sehr kurzzeitig erhöhte Strahlung von dessen Umgebung ausgeht. Viele Planeten können aber auch zum dunklen Geschoss werden, das durch die Galaxis irrt, um schließlich in den intergalaktischen Raum einzutreten. Diese kosmischen Querschläger erreichen die höchsten denkbaren Geschwindigkeiten, und so erläutert Idan Ginsburg vom Dartmouth College im amerikanischen Hanover, der diese Phänomene erforscht und an der neue Studie beteiligt ist: »Einmal abgesehen von subatomaren Teilchen gibt es nichts, was unser Milchstraßensystem mit derart hohen Geschwindigkeiten verlässt.« Die herrenlosen Welten können mit bis zu zehn Millionen Kilometer pro Stunde durchs All ziehen. Das entspricht immerhin knapp einem Hundertstel der Lichtgeschwindigkeit oder beinahe 3.000 Kilometern in jeder Sekunde. In rund vier Sekunden hätte ein erdgroßer Planet also seinen eigenen Durchmesser zurückgelegt! Die Strecke von der Sonne zum Neptun hätte so ein Objekt in 18 Tagen zurückgelegt. Und hätte das Schwarze Loch im Zentrum der Galaxis einen Planeten vor rund 3,2 Millionen Jahren auf direktem Wege in Richtung Sonnensystem geschleudert, wäre irgendwann jetzt mit seinem »Besuch« bei uns zu rechnen. Doch dafür gibt es bisher keinerlei Anzeichen.
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