Wie die ägyptische Altertümerverwaltung bekannt gibt, werden sechs Gräber des Alten Reichs bald wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, darunter auch das Grab der Enkelin des Cheops. Die Gräber sind seit rund 25 Jahren wegen Restauration gesperrt gewesen. Die neuerliche Öffnung wird die Zeit des berühmten ägyptischen Königs wieder deutlicher ins Blickfeld rücken. Was aber sagen die Gräber über das Alter der gewaltigen Monumente sowie über ihre Erbauer aus?
Auf dem Gizeh-Plateau werden ein halbes Dutzend Grabstätten wieder öffentlichen Besuchen zugänglich gemacht. Vor 25 Jahren waren sie bereits zu besichtigen, in den 1990er Jahren dann führte die Altertümerverwaltung eine zyklische Schließung der diversen antiken Anlagen ein. Dieses Rotationssystem wurde auch auf das Pyramiden-Plateau angewandt, womit auch nicht alle der drei Großmonumente mehr gleichzeitig zugänglich waren. Erklärter Sinn und Zweck des Ganzen:
Restaurationsarbeiten. So auch bei den bereits 1927 von dem berühmten Ägyptologen George Reisner entdeckten Grab der Prinzessin Meresanch III., Enkelin des legendären Königs Cheops (Khufu) – nach etablierter, somit weithin akzeptierter Auffassung nicht nur Namenspatron, sondern auch Erbauer der Großen Pyramide.
Meresanch III., übrigens Gattin ihres Onkels Chephren (Khafre), starb überraschend. Und so wurde das ursprünglich für ihre Mutter Hetepheres II. bestimmte Grab nunmehr für ihre Bestattung umfunktioniert. In dessen Innerem fand sich ein dunkler Sarkophag aus Granit, daneben Kanopenkrüge sowie eine Sandsteinstatue. Sie zeigt die Königin, wie sie ihre Tochter umarmt. Jetzt wird das Grab bald wieder für Besucher geöffnet, ebenso wie andere letzte Ruhestätten hochrangiger Persönlichkeiten aus dem Umfeld der vierten Dynastie. Es sind relativ schlicht ausgestattete Bauwerke, deren äußere Gestaltung allerdings der Monumentalität jener Zeit gerecht wird und an Tempel erinnert. Sie befinden sich allesamt in den weitläufigen Nekropolen von Gizeh. Geöffnet wird auch das Grab von Sechem-Nefer, Hüter der königlichen Geheimnisse, das zu den größten Gräbern auf dem Plateau zählt; außerdem das Grab des Senefru-Kha-Ef, königlicher Schatzmeister und Apispriester; das Grab des Nefer als Aufseher der Seelenpriester; das Grab des Yassen als Aufseher der königlichen Ländereien sowie schließlich noch das Grab des Ka-Em-Anch als Aufseher der königlichen Staatskasse.
Im Laufe der ungewöhnlich langen Zeitspanne, über die hinweg die Gräber nicht öffentlich zugänglich gewesen sind, wurden Restaurationsarbeiten durchgeführt, die mittlerweile fast wieder fällig sein dürften... Den nun veröffentlichten Informationen zufolge wurden unter anderem die Wände gereinigt, ausgebessert und verstärkt, Schmutz aus den Kammern geräumt, Belüftungssysteme und Licht installiert, von Touristen angebrachte Inschriften entfernt und antike Malereien konserviert. Die dort wiedergegebenen Szenen zeigen das Leben der damaligen Aristokratie und hoher Beamter, lassen eine uralte Zeit lebendig werden. Dennoch bleibt vieles im Dunkel. Allein der Kontrast zwischen freudigem Mitteilungsbedürfnis einerseits und kühlem Schweigen andererseits fällt sofort auf. Hier in den vornehmen Grabstätten, dort in den großen Pyramiden. Letztere zeigen sich schmuck- wie informationslos. Beinahe, als würden verschiedene Zeiten aufeinanderprallen.
Entgegen festgefügter Chronologie bleibt letzten Endes bis heute ungeklärt, ob die charakteristischen Monumente des Plateaus auch tatsächlich in der vierten Dynastie entstanden sind. Zwar scheint manches darauf hinzudeuten, seien es »zeitgenössische« Grabstätten, seien es Arbeitersiedlungen, seien es Fragmente von Statuen und Statuetten jener Epoche, die auf dem Plateau entdeckt wurden, sei es letztlich das winzige Elfenbeinfigürchen als einziges komplett erhaltenes Abbild des Herrschers Cheops selbst, das allerdings im entlegenen Abydos ans Tageslicht gelangte. Gleich wie eindeutig und beweiskräftig diese Funde wirklich sind, sie werden allesamt sofort zugunsten der geltenden Lehre ausgelegt, selbst wenn andere, nicht minder bemerkenswerte Entdeckungen für eine abweichende Geschichte sprechen. Selbst Fachägyptologen mussten das Pyramidenalter nach neuerlichen Altersbestimmungen um beinahe 400 Jahre zurückdatieren. Ein nicht unerheblicher Rutsch, der manches ändert. Doch könnte dies nur der Anfang sein. Was, wenn Cheops nicht der Bauherr der bis heute nach ihm benannten Pyramide war? Zumindest Kritiker der etablierten Lehre äußern erhebliche Zweifel. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Bauwerk »annektiert« wurde. Die Quellen zum Alten Reich sind notgedrungen vage, die Chronik ebenfalls. Niemand kann sagen, ob nicht bereits zuvor ein Monument dort existierte, ein Bauwerk, das von Cheops überformt, erweitert oder ausgebaut, nicht aber vollends neu errichtet wurde.
Tief im Inneren der Pyramide, unzugänglich für Touristen, gibt es einen grob behauenen waagerechten Gang und an dessen Ende eine kleine »Grotte« – abgebildet und beschrieben in meinem Buch Geheimakte Gizeh-Plateau. Die Höhlung lässt einen Blick auf die Steinblöcke im Pyramidenkern zu. Sie sind deutlich bearbeitet, aber auch deutlich verwittert. Standen sie also Jahrtausende im Freien, bevor sie überbaut wurden? Das würde dann tatsächlich bedeuten, dass bereits lange vor Cheops am Ort »seiner« Pyramide bereits ein bemerkenswertes Monument stand. Und dass die Inschriften im unweit gelegenen Isis-Tempel zutreffen, die besagen, Cheops habe sowohl Pyramide als auch Sphinx lediglich restauriert. Es gibt unzählige andere Indizien und Hinweise, die auf ein weitaus höheres Alter der Anlagen von Gizeh hindeuten. Auch Geologen sind zu dieser Schlussfolgerung gelangt.
Die Antwort, die Dr. Zahi Hawass, der ehemalige Chef der Altertümerverwaltung, vor allem mit Blick auf den Sphinx gab, lautete schlicht und ergreifend: Wenn Ägyptologen dazu neigen, die Kritiker »zu ignorieren, liegt das daran, dass sie die Beweislage einer den Sphinx umgebenden Gesellschaft des Alten Reiches beinahe vollständig ignorieren und argumentieren, das Monument müsse der Überrest einer viel älteren Zivilisation sein, die der Archäologie im übrigen unbekannt sei. Sie erklären weder, wie ihre verlorene Zivilisation aus der archäologischen Überlieferung verschwand, noch wie die Altreich-Gesellschaft von Khufu, Khafre und ihren Kollegen in jener Überlieferung so reich repräsentiert ist. Sie erklären auch nicht, was mit dieser verlorenen Zivilisation während der Tausende von Jahren geschah, die zwischen den mysteriösen Sphinx-Erbauern und dem Alten Reich lag«. So werden überall Gewichte verschoben. Denn ungeachtet der erwähnten reichen Repräsentation der frühdynastischen Gesellschaft um Khufu und Sohn bleibt auch die reiche Präsenz an ungeklärten Widersprüchen und ignorierten Fakten. Hier den Schwarzen Peter dann unter anderem an die Geologen weiterzureichen und von ihnen im gleichen Atemzug die Lösung einer altertumswissenschaftlichen Aufgabe zu verlangen, dürfte kaum der richtige Weg sein. Wenn wiederholt auf unabhängige Weise widersprüchliche Ergebnisse gewonnen wurden, könnten darin doch wertvolle Impulse für eine Neubewertung der Sachlage liegen. Nur, wer interessiert sich wirklich dafür?
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